Der Landtag Brandenburg hat heute mit einer Mehrheit das Leitbild für die Verwaltungsstrukturreform verabschiedet. Das nach langer Diskussion unter öffentlicher Beteiligung erarbeitete Konzept der Koalitionsfraktionen erhielt 45 Ja-Stimmen bei 35 Gegenstimmen und sieben Enthaltungen. Unter ihnen Kerstin Kircheis (SPD) und René Wilke (Linke) aus den Reihen der rot-roten Koalition.
Reaktionen dazu:
LINKEN-Fraktionsvorsitzender Ralf Christoffers: „Die demografische und finanzielle Entwicklung macht deutlich, dass wir jetzt handeln müssen. Unser Zeitfenster ist begrenzt. Darum haben wir ein Gesamtkonzept für eine umfassende Verwaltungsstrukturreform im Land Brandenburg entworfen. Mit leistungs- und verwaltungsstarken Strukturen sollen gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen unterstützt bzw. erhalten werden. In den kommenden Monaten wird es darum gehen, die dem Leitbild entsprechenden Änderungsgesetze zu erarbeiten und im Landtag zu beraten und zu beschließen.“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mike Bischofft: „Die Reform ist richtig und notwendig, um im gesamten Land Brandenburg dauerhaft gute Lebensbedingungen zu gewährleisten – unabhängig von der Bevölkerungsentwicklung. Der heutige Beschluss ist nicht der Endpunkt der Reform, sondern eine entscheidende Station auf einem langen Weg. Das Ziel ist eine weiterhin bürgernahe, leistungsfähige und moderne öffentliche Verwaltung. Das nützt allen Menschen in Brandenburg und stärkt den Zusammenhalt in unserem Land angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen. Mit der Reform geben wir der Heimat der Menschen eine Zukunft.“
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Daniel Kurt: „Beim Zuschnitt der künftigen Landkreise tragen wir regionalen Gegebenheiten Rechnung. Die Bürgerbeteiligung vor Ort soll gestärkt werden, und die finanziellen Spielräume der Städte und Kreise wachsen durch die Teilentschuldung und effiziente Verwaltungsstrukturen nachhaltig. Für die Ausgestaltung der jetzt folgenden Gesetze werden wir erneut in einen intensiven Dialog mit den Städten und allen Landkreisen treten, um möglichst viele Interessen berücksichtigen zu können.“
Der innenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Hans-Jürgen Scharfenberg: „Kein anderes Bundesland hat ein Reformvorhaben in diesem Umfang so umfassend und langfristig vorbereitet und diskutiert; ob vor Ort oder im parlamentarischen Raum. Bei den verschiedenen Schwerpunkten konnten und können wir uns auf belastbare Ergebnisse aus der vorhergehenden Enquetekommission des Landtages und Erkenntnisse aus den zahlreichen Anhörungen stützen. Das hat auch zu den Änderungen im jetzt gefassten Beschluss geführt. Öffentliche Aufgaben sollen orts- und bürgernah erledigt werden können und die bürgerschaftliche Beteiligung an der kommunalen Selbstverwaltung erhöht werden.“
Holger Kelch (CDU), Oberbürgermeister der Stadt Cottbus: “Als Reaktion darauf hat die CDU-Fraktion im Beisein der Oberbürgermeister der kreisfreien Städte Cottbus, Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder) eine Volksinitiative angekündigt. Damit wird das Ziel verfolgt, die Bevölkerung in die Entscheidung einzubeziehen und den vielen Bedenken zur Reform Gehör zu verschaffen. Unterstützt wird das Vorhaben von den BVB Freie Wähler und der FDP. Als Folge des heutigen Parlamentsbeschlusses droht Cottbus seine Kreisfreiheit zu verlieren. Anregungen seitens der Cottbuser Stadtverwaltung, die mehrfach im Rahmen der Diskussion zum Leitbildentwurf vorgebracht worden sind, fanden bei der Landesregierung und den Regierungsfraktionen kaum Beachtung. Die Reform wird direkte Auswirkungen auf die Cottbuser Bürgerinnen und Bürger haben. Mit der Volksinitiative im Rücken können wir unseren Forderungen zusätzlich Achtung verleihen.“
Matthias Geigk, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes Forst (Lausitz): „Die Argumente beider Seiten wurden ausgetauscht. Ich akzeptiere, dass sich der Landtag mehrheitlich für den Leitbildantrag ausgesprochen hat. Diese Akzeptanz gebührt sich für mein demokratisches Grundverständnis ebenso, wie ich jedwede Option der direkten Demokratie begrüße, die hilft eine Kreisgebietsreform durch Ausdruck des Bürgerwillens entgegen zu wirken. Nicht akzeptabel ist dagegen das Verhalten unseres Wahlkreisvertreters und Ministerpräsidenten Dietmar Woidke in Bezug auf den Dialogwillen mit seinen Wählern. Traurig ist außerdem, dass die bisher von vielen Forsterinnen und Forstern als Vorteil gesehene Nähe unseres Bürgermeisters zur Landesregierung offensichtlich an der fehlenden Motivation von eben diesem gescheitert ist. Ein Dialog mit den Bürgern hätte in der Sache wahrscheinlich nichts geändert, den gegenseitigen Respekt jedoch unterstützt. Schade, dass selbst der ehemalige Büroleiter von Herrn Dr. Woidke die Möglichkeit verstreichen sieht, ein Gesprächsforum mit den Gemeindevertretern unserer Stadt zu in die Wege zu leiten. Die CDU Forst (Lausitz) wird die, von der Landes-CDU angekündigte Volksinitiative gegen die Gebietsreform in aller Form unterstützen.“
Prof. Michael Schierack (CDU): „Als Demokrat habe ich das Abstimmungsergebnis zu akzeptieren, was nichts daran ändert, dass mich das Verhalten der Landtagsabgeordneten, die ihr Mandat in den kreisfreien Städten haben, zu tiefst enttäuscht hat. Die Cottbuser Landtagsabgeordnete und Ministerin Frau Dr. Münch (SPD) hat sich mit ihrem Votum gegen die eigene Stadt und gegen das klare Bekenntnis aller Cottbuser Stadtverordnetenfraktionen zum Erhalt der Kreisfreiheit gewandt. Mit dem heutigen Tag ist das Schicksal der noch kreisfreien Städte in Brandenburg aber nicht besiegelt. Die CDU-Landtagsfraktion wird jetzt alle parlamentarischen und außerparlamentarischen Schritte einleiten, um dem Willen der Mehrheit der Brandenburger Bürger, die keinen Sinn in einer von oben diktierten Kreisgebietsreform ohne klar vorgeschaltete Funktionalreform sehen, zu entsprechen. Dazu gehört auch ein Volksentscheid!”
Dr. Klaus-Peter Schulze MdB und Raik Nowka MdL (beide CDU): “Zur politischen Verantwortung gehört, Kritik und Verbesserungsvorschlägen gegenüber offen zu sein. Diese Fähigkeit geht der Landesregierung vollkommen ab. In ihrem Elfenbeinturm sitzend, blendet sie warnende Stimmen, wie die des Landkreistages sowie des Städte- und Gemeindebundes, gänzlich aus. Abweichler aus den eigenen Reihen werden mit Posten ruhiggestellt.
Es muss so deutlich gesagt werden, im Zuge dieser Kreisgebietsreform wird es nur Verlierer geben. So gefährdet eine Einkreisung die Strahlkraft der kreisfreien Städte auf das Umland. Zudem werden Kreise, die eine kreisfreie Stadt übernehmen sollen, vor nur schwer zu schulternde finanzielle Herausforderungen gestellt.
Für Rot-Rot spielt all dies keine Rolle, da in einer Traumwelt leider kein Platz für Rationalität ist. Was bleibt ist die Hoffnung, dass sich die Bürgerinnen und Bürger im Nachgang an die politisch Verantwortlichen dieser Reform erinnern und Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung gegen die schlecht geplante Reform nutzen werden.”
Landesvorsitzender der FDP, Axel Graf Bülow: “Die Landesregierung entfernt sich aus Sicht der Freien Demokraten immer stärker vom Willen der Bürger. „Die heute beschlossene Kreisgebietsreform am Willen der Bürger vorbei ist das Ergebnis eines jahrelangen Monologs von rot-rot mit sich selbst. Die Grünen machten sich mit ihrer Enthaltung zudem zum Steigbügelhalter der Regierung. Die Liberalen fordern vor allem Verlässlichkeit für die Kommunen. Noch immer sei etwa unklar, welche Aufgaben verlagert werden sollen. Eine Funktionalreform ist und bleibt Voraussetzung für eine Kreisreform. Nur so kann sie auch auf Akzeptanz der Bevölkerung stoßen. Bis heute habe die Landesregierung keinen Beweis erbracht, dass die geplante Reform auch nur einen Euro einspare. Die Freien Demokraten prüfen derzeit gemeinsam mit Partnern die Möglichkeit einer Volksinitiative, um die Reform zu verhindern. „Wir streben ein breites Bündnis über Parteigrenzen hinweg an, um die Reform zu kippen. Die Gespräche dazu laufen“.
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