Anlässlich der Konstitution des Brandenburger Braunkohle-Ausschusses am Mittwoch in Cottbus sowie einer zeitgleichen Kundgebung von Befürwortern der Braunkohle äußert sich der WiL-Vorstand zur aktuellen energiepolitischen Debatte und ihrer Bedeutung für die Lausitz.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat in der letzten Woche angekündigt, die Stromerzeuger in Deutschland ab 2016 zu einer jährlichen Kohlendioxid-Einsparung aus fossilen Kraftwerken von 4,4 Millionen Tonnen CO2 (bis 2020 insgesamt 22 Millionen Tonnen) gesetzlich zu verpflichten. Damit soll das ehrgeizige Klimaschutzziel der Bundesregierung erreicht werden, bis 2020 die deutsche Kohlendioxid-Emission um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Ein Gesetz, wie es der Bundesminister im kommenden Jahr vorlegen will, wird parallel zum begonnenen Ausstieg aus der Kernenergie zwangsläufig zur Stilllegung weiterer gesicherter Kraftwerkskapazitäten führen. Es stellt einen erneuten regulatorischen Eingriff in den Energiemarkt dar, der einzelne Erzeugungsarten einseitig belastet und die Stabilität der Energieversorgung in Deutschland in Gefahr bringt.
Die Wirtschaftsinitiative Lausitz (WiL) sieht mit Sorge, dass von der Belastung durch ein solches Gesetz besonders die strukturschwache Region im Lausitzer Kohlerevier betroffen sein könnte, wo heute aus Braunkohle jede zehnte Kilowattstunde Strom für den nationalen Bedarf erzeugt wird. Sie pauschal, ohne Rücksicht auf ihre infrastrukturelle und wirtschaftliche Situation erneut an erster Stelle in die Verantwortung für die Erreichung der Klimaschutzziele zu nehmen, erscheint vor allem deshalb unverhältnismäßig, weil gerade Ostdeutschland, und speziell die Lausitz seit der Wende einen wesentlichen Beitrag zu dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe geleistet haben. 1990 emittierten alle deutschen Kraftwerke eine Menge von 423 Millionen Tonnen Kohlendioxid. 2013 waren es noch insgesamt 363 Millionen Tonnen. Die Einsparung von 60 Millionen Tonnen (das sind 14 Prozent) wurde fast ausschließlich in Ostdeutschland erbracht. Damit verbunden war der Abbau von Arbeitsplätzen in der Braunkohle von ehemals 100.000 auf heute noch 10.000.
Eine starke industrielle Basis ist die Grundlage für eine zukunftsfähige regionale Wirtschaftsstruktur. In der Lausitz umfasst die Industrie knapp 30 Prozent der Bruttowertschöpfung und liegt damit nicht nur über dem Durchschnitt ostdeutscher, sondern auch westdeutscher Flächenländer. Auch wenn es keinesfalls stimmt, dass die Braunkohle das einzige industrielle Standbein der Lausitz darstellt, so prägt sie die Wirtschaft der Region doch bestimmend. Sie sichert gute Arbeit und Ausbildung, Wertschöpfung und praxisbezogene Forschungsarbeit und das in Größenordnungen, zu denen jetzt und in absehbarer Zeit kein anderer hiesiger Industriezweig in der Lage sein wird. Dies darf auch vor dem Hintergrund der aktuellen klima- und energiepolitischen Debatten nicht aus dem Blickfeld geraten.
Die WiL warnt vor undifferenzierten staatlichen Eingriffen in die Kohlekapazitäten mit absehbar nachteiligen Folgen für die Lausitz und darüber hinaus. Kraftwerkstilllegungen, wie sie das Bundeswirtschaftsministerium indirekt fordert, schaden nicht nur der Energiebranche, sondern auch ganz unmittelbar den meisten anderen Industrien. Durch steigende Strompreise leidet die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur der Lausitzer, sondern der bundesdeutschen Wirtschaft. Und das alles ohne messbaren Nutzen für das Klima, denn durch den europäischen Emissionshandel würde der CO2-Ausstoß nur ins EU-Ausland verlagert.
Durch die Ankündigung eines möglichen Eingriffs in die Lausitzer Kraftwerkskapazitäten wird zudem die Suche Vattenfalls nach einer neuen Eigentümerstruktur für das Braunkohlengeschäft des Konzerns erschwert. Das Ergebnis dieses Prozesses ist essentiell für die weitere Entwicklung der Region, dessen müssen sich sowohl die Vattenfall-Konzernführung als auch die Regierungen von Schweden und Deutschland bewusst sein. Die Wirtschaftsinitiative Lausitz erwartet, dass sie sich im bevorstehenden Prozess in enger Abstimmung mit den Ländern Sachsen und Brandenburg dafür einsetzen, für die angestrebte neue Eigentümerstruktur eine Lösung zu finden, welche den Fortbestand einer wettbewerbsfähigen Braunkohlenindustrie in der Lausitz sichert.
Diese Einschätzung der WiL zur Energiepolitik der Bundesrepublik und deren Auswirkungen auf die Lausitz wird durch nachfolgende Statements von Geschäftsführern Lausitzer Unternehmen und zugleich WiL-Vorstandsmitgliedern unterstützt:
Bernd H. Williams-Boock,Geschäftsführer Ortrander Eisenhütte GmbH:
„Nur die Pflege und die Weiterentwicklung der industriellen Basis der Lausitz kann es ermöglichen, die negativen Folgen der demographischen Entwicklung für die Lausitz auszugleichen und sogar zu überwinden. Wir wollen kein Wolfs-Erwartungsland werden! In dieser Hinsicht ist der geplante Verkauf von Vattenfall eine große Chance und ein großes Risiko zugleich. Die Chance besteht darin, dass Vattenfall als Ganzes einen neuen Eigentümer bekommt, der sich mit dem Geschäftszweck von Vattenfall in vollem Umfang identifiziert und diesen bejaht, nämlich die Gewinnung von Braunkohle und das Betreiben von Kraftwerken, nicht nur, aber auch auf Basis von Braunkohle. Das wäre dann ein echter Beitrag zur Stabilisierung der industriellen Basis der gesamten Region. Problematisch wäre, wieder aus meiner Sicht, eine scheibchenweise Veräußerung von Vattenfall. Hier wären, aus meiner Sicht, die Risiken für die industrielle Basis der Lausitz schwer einschätzbar. Es ist sehr wichtig, dass die Landesregierungen in Sachsen und Brandenburg den Verkaufsprozess politisch begleiten und Bundeswirtschaftsminister ins Boot holen.“
Dr. Karl Heinz Tebel,Vorsitzender der Geschäftsführung BASF Schwarzheide GmbH:
„Energie ist nicht nur in der chemischen Industrie ein entscheidender Kostenfaktor. Energiekosten sind ein Wettbewerbsfaktor für große, aber auch kleine, energieintensive Unternehmen geworden. Wenn Deutschland nach dem Atomausstieg auch noch den Braunkohlenausstieg beschließt, dann laufen wir Gefahr, dass diese Unternehmen künftig verstärkt im Ausland investieren. Mit den Investitionen verliert Deutschland langfristig Standorte und Arbeitsplätze. Damit Strom in Deutschland – auch für Privathaushalte – bezahlbar bleibt und um die Versorgungssicherheit zu garantieren, braucht es für die nächsten Jahrzehnte die Braunkohle.“
Eberhard Perschk,Geschäftsführer EMIS Electrics GmbH:
„Als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens der Energiewirtschaft aber auch als Lausitzer wünsche ich mir zeitnah klare Aussagen aus Schweden und von der Bundes- bzw. Landesregierung. Die Braunkohle sichert Aufträge nicht nur für unser Unternehmen, sondern für unzählige mittelständische Unternehmen. Sie sichert tausende gut bezahlte Arbeitsplätze und damit Kaufkraft, von der auch Handwerker und Dienstleister profitieren. Den Wegfall eines ganzen Industriezweigs können die neu entstehenden Arbeitsplätze im Tourismus nicht ausgleichen. Daher bin ich überzeugt, dass die Zukunft der Lausitz ohne Braunkohle düster aussähe.“
Quelle: Wirtschaftsinitiative Lausitz e.V.