Die Jahre haben gezeigt: Im Wettbewerb Spielfilm des FilmFestival Cottbus kann es schon mal schwierig werden, einen roten Faden zu finden – und das ist auch gut so. Am Ende ist es nämlich der Facettenreichtum, in dem alle zwölf Wettbewerbsbeiträge ihren gemeinsamen Nenner finden; denn so vielfältig die Kulturen Osteuropas sind, so vielfältig sind auch die Filme, die aus diesen Kulturen stammen und von ihnen handeln, egal ob es sich dabei um künstlerische Autorenfilme oder bunte, skurrile Komödien handelt. Bei der Jubiläumsausgabe des Festivals vom 3. bis zum 8. November wird das nicht anders sein.
14 verschiedene Koproduktionsländer vom zentralasiatischen Kirgisistan, über das ex-jugoslawische Mazedonien bis hin zum Nachbarn Polen werden mit ihren zwölf Filmbeiträgen in das Rennen um die Preise gehen. Insgesamt 77.750 Euro werden in diesem Jahr vergeben, davon allein 42.500 Euro unter den Teilnehmern des Wettbewerb Spielfilm. Die Dotierung des Hauptpreises für den besten Film, gestiftet von der Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten (GWFF) beläuft sich dabei anlässlich des 25. Festivaljubiläums auf ganze 25.000 Euro. Die Entscheidung darüber, welche der Produzenten, Regisseure und Schauspieler künftig neben den Preisgeldern auch eine der gläsernen Skulpturen “Lubina” ihr Eigen nennen dürfen, wird eine hochkarätige internationale Jury fällen. Zum Jubiläum finden sich dabei fünf Filmemacherinnen und Filmemacher aus fünf verschiedenen Ländern und Generationen zusammen: Zelimir Zilnik aus Serbien, Ineke Smits aus den Niederlanden, Andreas Kleinert aus Deutschland, Aida Begic aus Bosnien und Herzegowina und Visar Morina aus dem Kosovo.
Bei den Wettbewerbsteilnehmern gibt es wie immer Neues zu entdecken, aber gerne findet hin und wieder auch ein altbekanntes Gesicht seinen Weg zurück nach Cottbus: Unter anderem präsentiert Branko Schmidt, zuletzt bei der 22. Ausgabe des FilmFestival Cottbus zu Gast, sein neuestes Werk SAUERKIRSCHEN (Kroatien 2015), das von der Rückkehr eines älteren Ehepaares in seinen Heimatort handelt. Bei ihren Aufbauarbeiten nach dem Krieg gerät ihre Beziehung ins Wanken, was vor allem seiner Gereiztheit und ihrer zunehmenden Vergesslichkeit geschuldet ist.
Mit MITTAGSSONNE (Kroatien, Slowenien, Serbien 2015) kehrt ein Projekt, das bereits 2011 im Zuge des Ost-West-Koproduktionsmarktes connecting cottbus seinen Weg in die Lausitz fand, dorthin zurück: Am Beispiel dreier gemischt-ethnischer Beziehungen, gespielt von immer derselben Paarbesetzung, beleuchtet Regisseur Dalibor Matanic in drei verschiedenen Episoden die Relationen zwischen Serben und Kroaten in der jüngeren Geschichte. Es geht um die Unmöglichkeit der Liebe im Krieg, zaghafte Annäherungen zwischen Trauma und Misstrauen in den Folgejahren und schließlich um ein Weiterleben, ohne die Vergangenheit darüber vergessen zu können. Eine komplexe Beziehungsgeschichte nimmt sich auch Bartek Prokopiewicz in CHEMO (Polen 2015) vor: Mit oftmals farbenfroh spielerischen und musicalhaften Elementen zeigt er auf eher untypische Art und Weise, wie die unverhoffte Liebe zweier Menschen mit den Unwegsamkeiten einer Krebserkrankung zu kämpfen hat. Ein Stück unter den Teppich gekehrter Vergangenheit kommt in dem polnischen Wettbewerbsbeitrag DÄMON (Polen, Israel 2015) an die Oberfläche. Das mysteriöse Horror-drama des kürzlich verstorbenen Regisseurs Marcin Wrona begibt sich auf die Spuren eines unliebsamen Teils polnischer Geschichte, als sich der Geist eines jüdischen Mädchens auf einer Hochzeit des Bräutigams bemächtigt.
LIZA, DIE FUCHSFEE (Károly Ujj Mészáros | Ungarn 2014) sieht sich in der gleichnamigen ungarischen Produktion ebenfalls von einem Geist übermannt, und zwar von dem eines verstorbenen japanischen Schlagersängers aus den 1950er Jahren, der ihr auf ihrer einsamen Suche nach der großen Liebe aus Eifersucht bitterböse dazwischen pfuscht – und dabei gerne auch mal über Leichen geht. Viel Kultpotential bringt die slowenische Komödie SISKA DELUXE (Jan Cvitkovic | 2015) mit: Die drei Versagertypen Mile, Fedr und Zekir beschließen, in ihrem Viertel eine Pizzeria zu eröffnen – zunächst mit mäßigem Erfolg, doch entwickelt sich das Lokal durch ihr unkonventionelles Konzept bald zum Kiez-Kult. Kauzige Typen bringt der russischen Neujahrsfilms DAS LAND VON OZ (Russland 2015) von Vasily Sigarev auf die Leinwand: Auf ihrer Odyssee zu ihrem neuen Job in einem Moskauer Kiosk macht Lenka Shabadinova einige reichlich seltsame Männerbekanntschaften.
Ernste Töne schlägt dagegen MITTWOCHSKIND (Ungarn, Deutschland 2015), das Langspieldebüt von Lili Horváth, an, wenn sie die 19-jährige Maja bei ihrem Kampf um das Sorgerecht für ihren fünfjährigen Sohn zeigt und damit einen reifen Coming-of-age-Film und gleichzeitig eine tiefgehende Milieustudie liefert. Familiäre Probleme und Verwicklungen kommen in FAMILIENFILM (Tschechische Republik, Deutschland, Slowenien, Frankreich 2015) von Olmo Omerzu ans Tageslicht: Die Abwesenheit eines Elternpaares auf Südseetrip beschert den zu Hause gebliebenen Jugendlichen zunächst neue Freiheiten und kurz darauf ungeahnte Sorgen – eine ganz andere Reflektion von sozialem Nebeneinanderherleben. Einen Blick auf das Familienleben in der kirgisischen Steppe liefert NOMADEN DES HIMMELS (Mirlan Abdykalykov | Kirgisistan 2015), der in atmosphärischen Naturaufnahmen den Alltag einer traditionsbewussten Nomadenfamilie einfängt, von den Mythen der Vorväter erzählt, aber auch von den vorauseilenden Schatten der Landflucht – in schon einer Generation wird hier nichts mehr sein, wie es heute noch ist. Moralische Fragen wirft schließlich die Produktion FAIR PLAY (Andrea Sedlácková | Tschechische Republik, Slowakische Republik, Deutschland 2014) auf: Wie weit gehen für den sportlichen Erfolg? Eingebettet in das historische Setting in der Tschechoslowakei der 1980er transportiert der Film zugleich eine Grundlage dafür, dass eine Antwort auf diese Frage nicht immer so einfach ist, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag. Fragen, die ebenfalls keine einfachen Antworten zulassen, wirft auch die mazedonisch- kosovarische Produktion DREI TAGE IM SEPTEMBER (Darijan Pejovski | 2015) auf: Zwei Frauen, die auf den ersten Blick rein gar nichts gemeinsam haben, treffen im Zug aufeinander; beide hegen ihre Geheimnisse, die in dem spannenden Thriller nach und nach zu Tage treten und die beiden zu Verbündeten machen.
Das Festival wird maßgeblich vom Land Brandenburg, dem Medienboard Berlin- Brandenburg, der Stadt Cottbus sowie dem MEDIA – Creative Europe Programm der Europäischen Union gefördert.
Quelle: Filmfestival Cottbus
Foto: Thomas Goethe