Die Grenzkriminalität ist wegen der hohen Mobilität der Täter nicht nur Kriminalität im Grenzgebiet, sondern Grenzüberschreitende Kriminalität im Allgemeinen. Ein Auto kann in Frankfurt an der Oder oder in Frankfurt am Main gestohlen werden – binnen Kurzem nimmt es seinen Weg über die östlichen Grenzen und verschwindet dann über die Schengen-Grenzen in den Weiten Russlands. Kriminalitätsschwerpunkte können sich daher in Windeseile verschieben, je nachdem wo eine Diebesbande gerade lohnende Ziele und wenig Störungen erwartet. Für Einbruchsbanden gilt Entsprechendes. Von den erheblichen Schäden, die dem deutschen Fiskus durch Verluste an Steuereinnahmen wegen des Zigarettenschmuggels entstehen, wird zudem kaum gesprochen, da es sich um ein „opferloses“ Delikt handelt, dass viel seltener angezeigt wird als klassische Eigentumskriminalität.
Das Grenzgebiet ist durch seine örtliche Nähe dennoch ein besonders attraktives Ziel für Eigentumskriminalität. Das zeigt bereits ein Blick auf die Landkarte unter Einsatz des gesunden Menschenverstandes und Hineinversetzung in die sog. „Verbrechervernunft“. Sicherlich ist auch insoweit eine genaue Analyse der statistischen Datenerhebungen notwendig. Diese können aber nur ein unzureichendes Abbild der Realität ergeben und auch nur mit Einschränkung als Vergleichsmaßstab zwischen verschiedenen Gebieten dienen. Diskussionen um die Interpretation dieser Zahlen wirken oft wie Ablenkmanöver, da die Bevölkerung sehr genau weiß, ob man persönlich oder der Nachbar Opfer eines Verbrechens wurde oder nicht. Die Lektüre einer Statistik, die ihm das Gegenteil vorgaukeln würde, könnte den Bürger nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Auto tatsächlich geklaut wurde. Selbst diese unzuverlässigen Daten bestätigen aber im statistischen Mittel den Trend einer vergleichsweise hohen Kriminalitätsbelastung der grenznahen Gebiete im Gegensatz zu ähnlich strukturierten Gebieten im Landesinneren. Eine besondere Gefahr für Grenzgebiete ist jedenfalls nicht zu leugnen. Dass dem mit einem Abbau der Mannstärke der Kriminalpolizei und einer vielfach unkoordinierten Zentralisierung der verbleibenden Kräfte in diesem Bereich wirksam begegnet werden kann, ist illusorisch.
Auch der BDK ist nicht naiv und weiß um die Haushaltszwänge im Land Brandenburg. Die Argumente der Regierung sind aber oft nicht mehr als stereotyp. Dass gar kein Geld mehr da ist, kann nicht stimmen, da zumindest an Politikerdiäten, Protzbauten und anderen liebgewonnen Regierungsprojekten bislang noch nicht radikal gespart wurde. Der ernsthafte Vorschlag die Abgeordneten des Landtages von 88 auf 70 zu reduzieren, steht zum Beispiel noch aus, obwohl es doch angeblich möglich ist, mit weniger Personal bessere Arbeit zu leisten. Umgerechnet zum Bundesland Nordrhein-Westfalen müsste Brandenburg sogar mit nur 32 Abgeordneten auskommen.
Der durch die Grenzöffnung angefallene finanzielle und ideelle Gewinn muss nach Ansicht des BDK zu Gunsten der Bürger in irgendeiner Weise auch in Sicherheitsinfrastruktur reinvestiert werden. Anderenfalls müsste sich das Land dazu bekennen, dass es einen solchen Gewinn gar nicht gibt oder er nichts – jedenfalls keine Kosten für die Kriminalpolizei – wert ist oder wie das Land die Gelder besser und dringlicher einsetzt. Im jetzigen Zeitpunkt werden die Gewinne der Grenzöffnung vergesellschaftet und die Kosten dem Einzelnen als zufälligem Verbrechensopfer auferlegt.
Es sei daran erinnert, dass die Gewährleistung von Sicherheit eine Grundaufgabe des Staates ist, die durch ihn geordnet werden muss. Dass die Regierung des Landes nun allen Ernstes empfiehlt, dass sich die Bürger durch Vorkehrungen passiver Sicherheit doch selbst schützen sollen, ist ein Offenbarungseid der mehr als nachdenklich stimmt.
Dr. Thomas Bode
Der Autor ist Beisitzer im BDK-Landesvorstand Brandenburg, im Hauptamt akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsinformatik der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Bezug
Märkische Oderzeitung: „Grenzkriminalität setzt Politik unter Druck“ von Andreas Wendt, 03.06.2014
Märkische Oderzeitung: „Spuren von Resignation“ von Andreas Wendt, 03.06.2014
Lausitzer Rundschau: „2512 Gubener unterschreiben Petition für mehr Sicherheit“ von Silke Halpick, 03.06.2014