Für Drahtbürsten und technische Bürsten mit weltweitem Bedarf will der junge Cottbuser Mathias Bahl nicht nur in die Region zurückkehren, sondern in Spremberg auch eines der traditionsreichsten Unternehmen in die Zukunft führen. Es ist keine Selbstverständlichkeit aber er hat die Chance erkannt und mit Eberhard Gleitsmann auf der anderen Seite einen Unternehmenschef kennengelernt, der sich sehr bewusst mit der eigenen Zukunft beschäftigt und erkannt hat, dass die Zukunft seines Unternehmens in jüngeren Händen liegt.
Südbrandenburg steht vor einem großen Wandel, damit ist dieses Mal nicht der Strukturwandel weg von der Braunkohle gemeint, sondern der Generationswechsel an Unternehmern in kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Region. Allein die IHK Cottbus beziffert den Bedarf in den nächsten 5 Jahren auf 7.000 – 10.000 Unternehmen, somit bis zu 25% aller Kammerunternehmen, im Durchschnitt hängen 10 – 20 Arbeitsplätze daran, womit sich die Größenordnung erahnen lässt.
Zurück in die Heimat
Der Wunsch in die Region zurückzukehren besteht in der Generation 30+ bei Vielen, die Anfang und Mitte der 2000er ihren Schulabschluss in der Tasche hatten und auch aufgrund der wirtschaftlichen Lage meist in den Süden oder Norden Deutschlands abgewandert sind. So auch Mathias Bahl, der nach der Schule in Cottbus erst ein Jahr in Australien war, dann in Berlin Wirtschaftsingenieurwesen und anschließend in Lübeck Medizintechnik studierte. Beruflich verschlug es ihn danach südlich von Hannover zum ersten Konzern um danach bei einem internationalen Großkonzern bis zum Abteilungsleiter der Instandhaltung im Hamburger Werk aufzusteigen. Aus ihm war eine Führungspersönlichkeit geworden, der immer mit der Möglichkeit spielte, entweder noch weiter in die Welt zu ziehen oder in die Heimat zurückzukehren.
Erst mit dem Gedanken spielend, beruflich in die Berliner Region zu gehen, um nahe der Heimat einen gut bezahlten Job zu finden, reifte durch Gespräche der Gedanke, stattdessen direkt in seiner alten Heimat eine kleine Firma zu übernehmen und dort eigene Ideen zu verwirklichen. Statt hippem StartUp entschied er sich über einen regionalen Unternehmensberater dazu, auf die Suche zu gehen, nach einer Firma die seinem Profil und Vorstellungen entsprach. Technische Bürsten Spremberg war das zweite Unternehmen, dass ihm vorgeschlagen wurde und je mehr er sich mit dem Unternehmen beschäftigte, desto interessanter wurde es. Das lag nicht zuletzt auch an Eberhard Gleitsmann, dem bisherigen Geschäftsführer des Spremberger Herstellers von Drahtbürsten und technischen Bürsten, einem von nur zwei Herstellern die „Made in Germany“ produzieren und weltweit exportieren.
Große Firmentradition
Das 20 Mann Unternehmen hat die Umbruchphase der 1990er Jahre nicht unbeschadet aber wirtschaftlich geordnet überstanden, um sich danach im Bereich Spezialbürsten und kleinen Serienfertigungen einen Namen auf dem Weltmarkt zu machen und das Produktportfolio von 200 auf über 4.000 auszubauen. Heutige Kunden sind auf der ganzen Welt vertreten. Eberhard Gleitsmann leitet das Unternehmen zusammen mit seiner Frau, die als Angestellte die Buchhaltung im Auge hat, seit 40 Jahren. Er führte es durch die unsicheren Zeiten des Mauerfalls, als es darum ging die Produktivität zu erhöhen um auf den Weltmärkten konkurrenzfähig zu sein. Das Unternehmen ist heute wirtschaftlich sicher aufgestellt, die Auftragsbücher sind gut gefüllt und es wuchs kontinuierlich. Man merkt ihm im Gespräch an, dass er durchaus noch einige Ideen für neue Märkte und Produkte hätte, trotz seiner 67 Jahre ist er auf dem Stand, will vor der Übergabe noch einmal die Computertechnik auf den neusten Stand bringen um seine Firma bestmöglich an Mathias Bahl zu übergeben. „Mein Ziel mit der Nachfolge ist nicht, möglichst viel Geld von einem Käufer zu bekommen, sondern auch zum 200. Firmenjubiläum im Jahr 2034 eingeladen zu werden, weil der Kaufpreis die Firma nicht erdrückt. Mit Mathias habe ich einen jungen Mann gefunden, dem ich das zutraue und der mein vollstes Vertrauen hat. Er verfügt aufgrund von langjährigen leitenden Tätigkeiten über hervorragende technische und betriebswirtschliche Kenntnisse und hat sich bei den Bewerbern deutlich vom Kenntnisstand abgehoben. Mit Optimismus sichern wir die Zukunft des Unternehmens, was in unserer Region der Lausitz Seltenheitswert hat.“
Diesen Optimismus spürt man regelrecht, wenn sich die beiden unterhalten. Zwischen erstem Treffen und der Unterschrift unter dem Notarvertrag liegen zwei Jahre und unzählige Geschäftstermine, aber auch persönliche Treffen. Zwischen beiden Männern hat sich ein Vertrauensverhältnis gebildet, wie es bei Unternehmensübergaben kaum besser sein könnte. Der Kaufpreis war nie Bestandteil großer und langwieriger Verhandlungen, es ging um Inhalte, Produkte, Mitarbeiter, Märkte und natürlich Bilanzen. Die wurden von Mathias Bahl und dem beratenden Unternehmensberater überprüft und für gut befunden. Sie bieten eine stabile Basis für die künftige Entwicklung. Denn auch der neue Eigentümer hat Ideen, anders als bei einem gänzlich neu gegründeten Unternehmen kann er auf erfahrene Mitarbeiter einen großen Kundenstamm und im Markt etablierte Produkte mit dazugehörigem Umsatz zurückgreifen und daneben neue Produkte einführen. Ein unschätzbarer Vorteil für einen Unternehmensgründer, wie auch Rückkehrer Mathias Bahl einer ist. Er musste einen Businessplan schreiben um bei Banken den nötigen Kredit für den Unternehmenskauf zu erhalten. Letztlich entschied er sich für die örtliche Hausbank, die schon 20 Jahre Technische Bürsten Spremberg betreut. Auch dort kannte man die Zahlen, überzeugte sich vom Nachfolger und bewilligte den Kredit Ende letzten Jahres.
Mit gutem Gefühl in die neue Aufgabe
Mit dieser Sicherheit und der Notarunterschrift stellte sich Mathias Bahl auch seinen künftigen Mitarbeitern bei der Weihnachtsfeier vor und lernte sie kennen. So gab es für sie kurz vor Weihnachten gute Nachrichten, sie bedeuten Sicherheit für die Beschäftigungsverhältnisse, denn natürlich kannten auch sie das Alter ihres Noch-Chefs. Gleiches gilt für Kunden der Spremberger Bürsten. Sie wurden in einem Schreiben kurz vor Weihnachten über die gesicherte Nachfolge informiert. Wichtige Entscheidungen werden nun bereits zwischen Noch- und Baldchef gemeinsam getroffen, ehe Mathias Bahl die Geschäfte in Spremberg am 01.01.2019 offiziell übernimmt und Eberhard und Gerlinde Gleitsmann in ihren wohlverdienten Ruhestand gehen können. Die Spremberger Bürsten GmbH bleiben auch weiterhin ein Familienunternehmen, denn die freiwerdende Buchalterstelle übernimmt seine Schwester Steffani Meschzan (geborene Bahl), die bereits zum 01.08.2018 ihre Stelle in Spremberg antritt, um in vier Monaten von Gerlinde Gleitsmann in alle Prozesse eingearbeitet zu werden und in ihre neue Rolle reinzuwachsen. Bisher ist die gelernte Kauffrau für Bürokommunikation im Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum tätig, bildete sich aber schon vor einigen Jahren zur Wirtschaftsfachwirtin bei der IHK weiter und kann ihr Wissen bald im neuen Familienunternehmen einsetzen.
Mathias Bahl will Bewährtes fortsetzen ohne gleich jede Bürste umzudrehen. Ideen wie sich das Unternehmen künftig aufstellt und neue Märkte erobern kann, hat er jedoch auch einige in der Schublade und will sie Stück für Stück umsetzen. Die Spremberger Bürsten schauen einer gesicherten, optimistischen Zukunft entgegen.
IHK Cottbus veranstaltet Aktionstag Unternehmensnachfolge
In einem moderierten World-Café veranstaltet die IHK Cottbus am 21.06.2018 von 17 bis 20:30 Uhr in der Goethestraße 1 in Cottbus einen Aktionstag Unternehmensnachfolge. Egal ob alles in der Familie bleiben, ein Mitarbeiter einsteigen oder eine andere Lösung gefunden werden soll, es geht dabei um Geld, um Verträge und um die Weitergabe von Erfahrung. Zu den Themen Finanzierung, Steuern, Recht, Testament und Nachfolgegewinnung sind Experten vor Ort, mit denen die Teilnehmer die Möglichkeiten für die Nachfolge individuell ausloten können.
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei.