Im schalltoten Raum, hinter Glas festgesetzt wie Hannibal Lecter, ist Maria Stuart.
Mundtot gemacht, doch gefährlich und überaus präsent für ihre Großtante Elisabeth I.. Die Königin von England ringt hinsichtlich des Umganges mit ihrer unbequemen Verwandten mit sich und den möglichen politischen Folgen. Umgeben von Höflingen die jeweils eigene Interessen haben, hilft deren Rat wenig.
Auf wunderbar sachlich klarer Bühne verbindet die Inszenierung von Verena Nagel auf gelungenste Weise gestern und heute, ist ein Klassiker zu erleben, wie man ihn sich nur wünschen kann, um gerade Theaterneulingen jede Angst vor´m stets schwer anmutenden Schiller-Stoff zu nehmen.
Perfekt gekürzte Textfassung und Sprachführung des 1800 uraufgeführten Stückes sind historisch, Spielweise und Bühne ganz von heute. Die Kostüme sind im Schnitt modern, in schrill-auffälligen Mustern variierend quasi selbst Teil der Handlung und im Falle Elisabeths königlicher Robe Abbild ihrer wachsenden Last (Ausstattung: Andreas Hartmann).
Kaum durch andere Mittel unterstützt haben die Darsteller viel Spielraum, ihre klar umrissenen Figuren zu gestalten und das Geschehen lebendig werden zu lassen. Eine Aufgabe, die sie mehr als gelungen lösen und fünf spannende, eindrucksvolle Akte um Macht und Ohnmacht, Liebe und Hass, Treue und Betrug entstehen lassen – wobei das Eine oft verschwimmt mit dem Anderen.
Spielt Verantwortung noch eine Rolle, wenn es um Herrschaft geht? Gibt es Menschlichkeit beim Regieren, Gefühle gar? Wann ist der Punkt überschritten, sich selbst ganz und gar verraten zu haben? Nur noch Schein, kein Sein, keine Person, nur Funktion. – Und kann umgekehrt Freiheit und Selbstbestimmung gewinnen, wer dafür das Leben aufzugeben bereit ist?
Schiller verwendet den Hintergrund der historisch realen und tatsächlich noch weitaus vielschichtigeren Auseinandersetzung zwischen Frankreich und England, Rom und London, Elisabeth I. und Maria Stuart und verdichtet sein Drama auf den unmittelbaren Kampf zweier starker Frauen.
In Senftenberg sind diese ideal besetzt mit Anita Iselin (Elisabeth) und Alrun Herbing (Maria); umgeben von den starken Mitspielern Tom Bartels (Robert Dudley, Graf von Leicester Talbot), Daniel Borgwardt (Wilhelm Cecil, Baron von Burleigh), Robert Eder (Amias Paulet, Ritter, Hüter der Maria), Wolfgang Tegel (Mortimer, Paulets Neffe), Simon Elias (Kennedy) und Claudia Lietz (Gräfin von Shrewsbury). Prädikat: Sehr sehenswert!
Jens Pittasch
Friedrich Schiller
Maria Stuart
Regie – Verena Nagel
Bühne und Kostüm – Andreas Hartmann
Vorabveröffentlichung KULTURMAGAZIN BLICKLICHT, Cottbus-Lausitz, Ausgabe April 2016; www.kultur-cottbus.de
Friedrich Schiller
Maria Stuart
Regie – Verena Nagel
Bühne und Kostüm – Andreas Hartmann