Das Regionalbüro Lausitz der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg lädt herzlich ein zu einer szenischen Lesung, bei der die Schauspielerinnen Sybille Böversen und Hanka Mark sowie der Philosoph Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann die Wissenschaftlerin und Widerstandskämpferin Germaine Tillion (1907-2008) vorstellen.
Die Veranstaltung findet im anlässlich der diesjährigen Brandenburgischen Frauenwoche “Frauengenerationen im Wechselspiel” am 22. März 2016 (Dienstag) ab 17 Uhr im Bürgerhaus Wendische Kirche (Baderstr. 10, 01968 Senftenberg) statt. Alle Interessentinnen und Interessenten sind herzlich eingeladen, der Eintritt ist frei.
GERMAINE TILLION gehört zu den vier Frauen, die ihre letzte Ruhestätte im Panthéon gefunden haben, jenem Ort in Paris, an dem die Helden der Nation beigesetzt werden. Geboren wurde sie am 30. Mai 1907 in Allègre und verbrachte ihre Jugend in Clermont-Ferrand. Später studierte sie erfolgreich in Paris Ethnologie. 1934 begab sie sich auf eine erste Studienreise nach Algerien, um das Volk der Chaouis zu studieren. Bis 1940 folgten drei weitere Studienreisen.
Die Kapitulation Frankreichs und das Verhalten Marschall Pétains nach dem Überfall Deutschlands nahm sie mit Verachtung zur Kenntnis. Sie ging in den Widerstand und wurde Kommandantin der Gruppe der Résistance um das „Musée de l’Homme“ in Paris. Nach einer Denunziation erfolgte am 13.
August 1942 die Verhaftung. Am 21. Oktober 1943 wurde sie in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Sie erhielt den Status einer „Verfügbaren“, den niedrigsten Status in der Gefangenenhierarchie, der jene Frauen bezeichnete, die jederzeit für jede beliebige Arbeit eingesetzt werden konnten. Durch ihre intellektuelle Überlegenheit und ihren Humor war sie im Lager bei Mitgefangenen hoch angesehen. Heimlich schrieb sie 1944 das Libretto zu einer makabren und doch irgendwie komischen Operette, die im Jahre 2007 anlässlich ihres 100. Geburtstages in Paris uraufgeführt wurde. Im März 1945 wurde ihre Mutter in Ravensbrück ermordet. Germaine Tillion gehörte im April 1945 kurz vor der Befreiung zu den Frauen, die durch das schwedische Rote Kreuz gerettet werden konnten.
Nach dem Krieg arbeitete sie wieder als Wissenschaftlerin, war aber auch politisch aktiv. Sie versuchte während des Algerienkrieges zwischen Befreiungskämpfern und Frankreich zu vermitteln und setzte sich schließlich für die Unabhängigkeit Algeriens ein. 1951 gründete sie gemeinsam mit anderen eine Kommission gegen Folter und Lager, die auch die Praxis der Gulag in der Sowjetunion verurteilte. Das führte zu Auseinandersetzungen mit ehemaligen kommunistischen Mitgefangenen. Sie schrieb Bücher über Ravensbrück sowie ethnologische Studien über Algerien. Am 19. April 2008 starb Germaine Tillion kurz vor ihrem 101. Geburtstag.
DR. GERD-RÜDIGER HOFFMANN (geb. 1952) wird in seinem Vortrag einzelne Facetten des Lebens von Germaine Tillion beleuchten. Die Schauspielerinnen HANKA MARK (geb. 1983) und SYBILLE BÖVERSEN (geb. 1946) lesen Auszüge aus dem Buch „Die verlorene Unschuld“ von Germaine Tillion, das 2015 in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Ein Jahrhundertleben – Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung über Germaine Tillion (1907 – 2008)
Es mag sein, dass „Frauen-KZ Ravensbrück“ oder „Geschichte des Widerstandes gegen die Nazis“ nicht unbedingt die Begriffe sind, die Menschen von heute motivieren, zu einer entsprechenden Bildungsveranstaltung zu gehen. Die Älteren werden eventuell vermuten, dass sie hier nichts Neues erfahren. Für die Jüngeren sind diese Themen wahrscheinlich oft einfach zu weit von Gegenwartsproblemen entfernt.
Doch die Beschäftigung mit der französischen Wissenschaftlerin, Widerstandskämpferin und Überlebenden von Ravensbrück Germaine Tillion könnte so manches Vorurteil beseitigen helfen. In Frankreich gehört sie zu den bekanntesten Intellektuellen. Sie ist eine der lediglich vier Frauen, die ihre letzte Ruhestätte im Panthéon gefunden haben, jenem Ort in Paris, an dem die Helden der Nation beigesetzt werden.
Das Senftenberger Lausitzbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg bietet eine Veranstaltung an, in der versucht wird, den unterschiedlichen Facetten des Lebens dieser ungewöhnlichen Frau gerecht zu werden. Denn Germaine Tillion vereint selbst bei schwierigsten Themen scharfe Analyse (die Lehren bis heute ermöglicht), emotionale Betroffenheit (ohne überwältigen zu wollen) und einen Humor, der bei den Akteuren des geplanten Abends während der Vorbereitungen immer wieder zu einem herzhaften Lachen führte. Außerdem werden mit Bezug auf Aktionen von Künstlerinnen und Künstlern in Dresden Fragen gestellt, bei deren Beantwortung die Schriften Germaine Tillions hilfreich sein könnten.
Die Schauspielerinnen Hanka Mark und Sybille Böversen von der NEUEN BÜHNE Senftenberg sowie der Philosoph Gerd-Rüdiger Hoffmann stellen in einem Vortrag von etwa 45 Minuten diese Frau am Dienstag (22. März 2016) ab 17 Uhr in der Wendischen Kirche Senftenberg vor. Bereits ab 16 Uhr werden im Foyer Kaffee und andere Getränke zu moderaten Preisen angeboten. Nach dem Vortrag besteht die Möglichkeit, mit den Akteuren ins Gespräch zu kommen. Der Eintritt ist frei.
Im Jahre 2015 ist das Buch „Fragments de vie“ unter dem Titel „Die gestohlene Unschuld“ in deutscher Sprache erschienen. Das Buch kann in den Senftenberger Buchhandlungen bestellt werden.
Germaine Tillion
Die gestohlene Unschuld
Ein Leben zwischen Résistance und Ethnologie (Herausgegeben und aus dem Französischen übersetzt von Mechthild Gilzmer)
Berlin: AvivA Verlag, 2015 (330 Seiten; 22,00 Euro)
Quelle & Bildquelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg e.V., Regionalbüro Lausitz