Zu einem sogenannten Reformkongress kamen heute Politiker in Cottbus zusammen. Tagesordnungspunkt war die geplante Kreisgebietsreform in Brandenburg gegen die es, vor allem in den bisher kreisfreien Städten Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg an der Havel, die eingemeindet werden sollen, Widerstand gibt. Lediglich Potsdam soll kreisfrei bleiben.
Ministerpräsident Dietmar Woidke hat die Notwendigkeit des geplanten Vorhabens unterstrichen: „Die Verwaltungsstrukturreform ist das bedeutendste Reformvorhaben dieses Jahrzehnts in unserem Land. Sie wird sichern, dass die Verwaltung auch in 20 und 25 Jahren noch leistungsfähig und bürgernah arbeiten kann“, sagte er heute in Cottbus vor rund 500 Kongressteilnehmern aus Politik, Verwaltung, Kommunen und Verbänden. „Der Neuzuschnitt der Landkreise zu größeren und leistungsfähigeren Gebietskörperschaften ist dabei wichtig für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Gleichzeitig stellt die Landesregierung eine kostendeckende Finanzierung sicher, damit die Kreise nicht auf den zusätzlichen Kosten sitzenbleiben. Wir werden mit der Reform die Oberzentren als wirtschaftliche, infrastrukturelle und kulturelle Anker im Land fit für die Zukunft machen. Aus all diesen Gründen werden wir darüber reden, wie ein solches Paket für unser Land konkret aussehen muss.“
Innenminister Karl-Heinz Schröter sagte: „Umfassende Reformen anzugehen erfordert Willenskraft und auch ein Stück weit Tapferkeit.“ Mit Verwaltungsreformen viele Sympathiepunkte zu gewinnen, sei dagegen „schwerlich möglich“. Dies sei ihm bewusst. Mit Blick auf die demografischen Veränderungen in Brandenburg in den kommenden Jahrzehnten könne die grundsätzliche Notwendigkeit der Anpassung von Verwaltungsstrukturen aber nicht ernsthaft bezweifelt werden. Auch der Zeitpunkt für den Reformprozess sei richtig gewählt: „Es ist für die Landesregierung keine Option, zu warten, bis uns die Zukunft überholt“, betonte Schröter. Eine Absage erteilte der Minister Forderungen, die geplante Reform wegen der aktuellen Asylkrise auszusetzen: „Gerade diese Herausforderungen verlangen von uns, auf Dauer leistungsfähige Strukturen der Verwaltung zu schaffen.“ Schröter erinnerte daran, dass Verwaltungsreformen und Flüchtlingskrise auch in den 90er Jahren schon einmal zeitlich zusammengefallen seien. Es sei daher „garantiert keine Lösung, notwendige Reformen und damit Fortschritte wegen hoher Belastungen aller staatlichen Ebenen zu stoppen“.
Im Mittelpunkt des ganztägigen Kongresses in der Cottbuser Messe, an dem auch Finanzminister Christian Görke teilnahm, stand die Auswertung der Ergebnisse der bisherigen Leitbildkonferenzen zur Verwaltungsreform. In sechs moderierten Arbeitsgruppen wird unter Beteiligung von Wissenschaftlern vertieft über zentrale Fragen und Probleme des Reformprozesses beraten. Zu den demografischen Rahmenbedingungen in Brandenburg referierte mit Dr. Thomas Büttner ein profilierter Experte von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung und ehemaliger stellvertretender Direktor der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen (UNO). Der Reformdialog wird im Frühjahr mit fünf Regionalkonferenzen fortgesetzt werden.
Während sich Vertreter des Landes positiv zur geplanten Reform äußerten, stößt sie in der Stadt Cottbus weiter auf Kritik und auch Verwunderung. So wurde bekannt, dass das Piccolo-Theater an das Staatstheater Cottbus angegliedert werden soll, um Haushaltskosten zu sparen, der Stadt war dieser Plan bisher nicht bekannt.: “Ministerpräsident Dietmar Woidke sprach heute davon, dass das Kinder- und Jugendtheater eine Sparte des Staatstheaters werden soll. Das soll Teil einer finanziellen Entlastung sein. Solche Pläne sind in Cottbus bislang unbekannt. Der Reformkongress selbst verlief aus Sicht der kreisfreien Städte enttäuschend. Unter dem Eindruck von Vorfestlegungen durch die Landesregierung wurden bereits bekannte Fragen erneut aufgeworfen; es gab aber kaum Antworten oder Debatten über Alternativen. Wir sind zu Reformen bereit, es gibt aber bessere Lösungen als die Aufgabe der Kreisfreiheit.” berichtete Jan Gloßmann, Pressesprecher der Stadt vom Kongress.
Potsdams Oberbürgermeister und Präsident des Städte- und Gemeindebundes Jann Jakobs kritisierte, dass das Innenministerium bis heute keine belastbaren Zahlen & Fakten zur Kreisgebietsreform vorlegen kann. Er übte auch Druck auf Innenminister Schröter aus, endlich eine umfangreiche Dokumentation der Veranstaltung zu erstellen und zu veröffentlichen.
Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann erklärt direkt nach dem Kongress:”Die Landesregierung musste auf Druck der Teilnehmer einräumen, dass grundlegende Fragen zur Kreisgebietsreform auch nach 18 Regionalkonferenzen immer noch nicht beantwortet sind. Es fehlen weiter konkrete Aussagen zur zukünftigen Ausgestaltung der Aufgabenwahrnehmung von Land, Kreisen, Städten und Gemeinden ebenso wie ein Finanzierungskonzept und Alternativvorschläge.”
Auch Jürgen Maresch, ehemaliger Landtagsabgeordneter der Linken und derzeit Einzelstadtverordneter äußerte sich: “Die am Sonnabend initiierte Debatte, kaschiert als “Reformkongress” in Cottbus zur Kreisgebietsreform, ist eine ungeheure Schwindelei. Die SPD des Landes Brandenburg hat sich in einem Beschluss bereits zur Reform bekannt, die Linke als Juniorpartner hechelt hinterher. Die eigentlichen Probleme an sich werden nicht benannt. Als Vater eines behinderten Kindes möchte ich das am Beispiel der geplanten Auflösung des Landesamtes für Soziales und Versorgung darstellen. Unser Sohn ist 26 Jahre alt und schwerstbehindert. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an denen es uns Sozialämter – egal ob in Cottbus oder Spree- Neiße – nicht schwer gemacht hätten. Die Mitarbeiter im Landesamt waren und sind kompetent, nun soll dieses Amt aufgelöst werden. Mehr als 400.000 Menschen mit Behinderung werden dann irgendwie auf die Sozialämter verteilt. Die Dummheit an sich liegt auf der Hand. Ich war selbst bei einem Gespräch mit dem Personalrat des Landesamtes als damaliger Landtagsabgeordneter der Linken mit der heutigen MdB Wöllert und dem heutigen MdL Löhr ( beide Linke) dabei. Beide stellten deutlich dar, dass ein Auflösen des Landesamtes nicht in Frage kommt. Diejenigen, die immer wieder tönen, dass sich sich für behinderte Menschen einsetzten, die SPD und die Linken in Brandenburg, erschweren mit dieser unnötigen Reform das Leben von behinderten Menschen massiv.”
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