Am ersten richtig vollen Programmtag des FilmFestivals liefen in den acht Cottbuser Spielstätten gestern insgesamt 24 Filme über die Leinwände. Das Alte Stadthaus präsentierte am Abend so auch die kroatische Dokumentation “Factory to the Workers”, in der Regisseur Srđan Kovačević die Besetzung der Fabrik “ITAS” durch Arbeiterinnen und Arbeiter in Ivanec verfolgt.
Zwischen Selbstverwaltung und kapitalistischem Umbruch
Nach der Eröffnungsveranstaltung des FilmFestivals am Dienstag im prunkvollen Großen Haus des Staatstheater Cottbus zog sich die Dokumentation “Factory to the Workers” heute in ein intimeres, persönlicheres und geerdeteres Ambiente im Festivalkino des Alten Stadthauses zurück. Unter den Zuschauerinnen und Zuschauern fanden sich auch Regisseur Srđan Kovačević und Produzent Luka Venturin wieder, beide nahmen sich am Ende der Vorstellung ihres Films Zeit für Fragen und persönliche Gespräche. Zu besprechen gab es auch gleich eine ganze Menge.
Die zwischen 2015 und 2019 gedrehte Dokumentation verfolgt Arbeiterinnen und Arbeiter der kroatischen Werkzeugmaschinenfabrik ITAS. Diese wurde im Jahr 2005 von eben jenen Arbeitskräften besetzt und befindet sich seitdem in gemeinsamer Hand. Ein Sonderfall nicht nur in Kroatien, die Besetzung der ITAS gilt als einzige erfolgreiche Fabrikbesetzung in ganz Osteuropa. Ein Modell, das nicht nur Arbeitermitbestimmung und Teilhabe mit sich bringt, sondern, wie “Factory to the Workers” auch bewusst kühl und schonungslos zeigt, klare Reibungsflächen mit der kapitalistischen Grundordnung des heutigen Kroatiens aufweist. Arbeiterinnen und Arbeiter bekommen ihren Lohn über Monate hinweg nur teilweise oder gar nicht ausgezahlt, die ältere Belegschaft geht allmählich in den Ruhestand oder stirbt, während die Jüngeren ihr Glück schnell bei zahlungskräftigeren privaten Unternehmen im In- oder Ausland suchen. Die Fragen, mit denen sich die Fabrik zwangsläufig beschäftigen musste, und immer noch beschäftigen muss, sind nicht nur spannend, sondern auch gerade hinsichtlich des Gesellschafts- und Strukturswandels im osteuropäischen Raum höchstaktuell. Wie können lokale, stark arbeiterorientierte Unternehmungen in Zeiten des maximal globalisierten Kapitalismus konkurrenzfähig bleiben? Wie kann der Abwanderung junger Arbeitnehmer in strukturstärkere Regionen entgegengewirkt werden?
Beim Ansehen der Dokumentation wird eines besonders schnell klar: Die Filmemacher verbrachten viel Zeit mit den Arbeiterinnen und Arbeitern in der Fabrik. Zeit, die offensichtlich für intensive Gespräche genutzt wurde, um den Film möglichst persönlich und gefühlvoll zu halten. “Factory to the Workers” möchte die Geschichte der Menschen erzählen, die Geschichte der Arbeiterinnen und Arbeiter die so Vieles für den Erhalt ihrer Fabrik getan haben. Die Fehler begangen haben, die sich organisierten und verausgabten in einem System, das eigentlich keinen Platz für sie sah.
Auch technisch hält sich die Dokumentation dabei geschickt im Hintergrund. Es gibt keine besonders spektakulär-bombastischen Bilder, keinen knalligen Soundtrack und keine übertriebenen Schnitte. Vielmehr weiß der Film die Stille zu nutzen, die Emotionen der Menschen in Nahaufnahme in Szene zu setzen und das beinahe klaustrophobische Ambiente der Fabrik wirken zu lassen. Die noch nicht abgeschlossene Geschichte der selbstverwalteten Fabrik ITAS lädt nicht nur zu Konversationen ein, sie bleibt den Zuschauerinnen und Zuschauern auch sicherlich noch ein Weile im Bewusstsein. Gut also, dass Srđan Kovačević und Luka Venturin im Anschluss der Vorstellung direkt das Gespräch mit dem Saal suchten.
Auch heute hält das FilmFestival Cottbus wieder zahlreiche Filme unterschiedlichster Stilrichtungen bereit. Unser Tipp für den Donnerstag: Der Spielfilm “In Limbo” im Weltspiegel.
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Red.