Der Biomarkt in der Hauptstadtregion verzeichnete im Corona-Jahr 2020 ein beeindruckendes Wachstum. Nach Erhebungen der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e.V. (FÖL) stiegen die Umsätze des Naturkostfachhandels (Bio-Supermärkte, Abokisten, handwerklich arbeitende Betriebe, Direktvermarkter) um ca. 23 Prozent – das ist ein mehr als doppelt so hohes Wachstum wie in den Vorjahren (2019: 10 Prozent). Die Gesamtumsätze des regionalen Naturkostfachhandels lagen damit 2020 bei 715 Millionen Euro (2019: 580 Millionen). Am größten war das Wachstum bei den regionalen Abokisten-Betrieben. Diese verzeichneten Umsatzzuwächse von durchschnittlich mehr als 60 Prozent.
Dieses bemerkenswerte Wachstum dürfte in Corona-bedingten Effekten sowie in gesellschaftlichen Trends begründet liegen, die sich gegenseitig bedingen und verstärken.
Die FÖL sieht wesentlich folgende Faktoren und Trends:
- Der Biomarkt profitiert von Umsatzverschiebungen in der Außer-Haus-Verpflegung: All jene Bevölkerungsgruppen, die in Kurzarbeit waren oder vermehrt im Homeoffice arbeiteten, verpflegten sich nicht mehr in Kantinen und Restaurants, sondern aßen mehr zu Hause und kauften selbstbestimmt deutlich mehr Bio ein, als es dem Bio-Anteil in der Außer-Haus-Verpflegung entspricht.
- Die Sensibilität für eine gesunde Ernährung ist in Zeiten der Corona-Pandemie gestiegen. Der Absatz frischer und unbehandelter Bio-Lebensmittel dürfte davon klar profitiert haben.
- Bedürfnis nach Regionalität und Transparenz: Von der Rückbesinnung auf regionale Lieferketten bzw. dem Bedürfnis nach mehr Ernährungssouveränität profitiert die ökologische Lebensmittelwirtschaft, weil sie seit jeher deutlich regionaler ausgerichtet ist und mit einer nachvollziehbaren Herkunft punkten kann. Hinzu kommt, dass auch Bio-Verarbeiter und Bio-Vermarkter von den vorhandenen regionalen Wertschöpfungsketten profitierten. Denn diese zeigen sich in Krisenzeiten stabiler, weil sie eine direkte, lösungsorientierte und kreative Kommunikation ermöglichen und verfügbar bleiben – in Zeiten von geschlossenen Grenzen und erschwerter überregionaler Logistik ein großer Vorteil.
- Da die gesellschaftliche Kritik (Tierwohl, Insektensterben, Nitrat im Grundwasser, Fridays for Future etc.) an der Agrarpolitik und den Fehlentwicklungen in der konventionellen Praxis nicht abebbt, sind viele Bürger motiviert, an der Ladenkasse abzustimmen. Dies wird solange anhalten, bis die Politik und der Berufsstand den Mut aufbringen, den vorhandenen Reformstau bei den drängendsten Klima-, Umwelt-, und Tierwohlfragen aufzulösen und die landwirtschaftliche Produktion nachhaltiger bzw. zukunftsfähig aufzustellen.
Wachstumsmotor Bio-Supermärkte
Wie schon in den vergangenen Jahren sind auch 2020 die Bio-Supermärkte eine treibende Kraft hinter den hohen Wachstumszahlen des Naturkostfachhandels der Region. Marktführer bleibt die Bio Company mit 53 Filialen, gefolgt von denn’s Biomarkt (46), Alnatura (20) sowie der LPG (9 Filialen).
Bio-Branche als Innovationstreiber: Umweltfreundliche Lieferlogistik erfolgreich
Ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Umwelt-Innovation ist die Auslieferung der regionalen Bio-Abokisten mit dem Fahrrad. Hierzu haben sich die Abokisten-Anbieter mit dem Fahrradlogistiker „Zukunftsangelegenheiten GmbH“ aus Wustermark zusammengetan, um die Feinverteilung auf der letzten „schmutzigen Meile“ emissionsfrei zu organisieren. Hierzu koordiniert Zukunftsangelegenheiten ein Netzwerk aus Radlogistikern und Verteilzentren in Berlin, über das mittlerweile mehr als 1.700 Kunden im Berliner Stadtgebiet beliefert werden. Die Kisten des Brodowiner Ökokorbes und des Lindenhofer Landkorbes werden innerhalb des S-Bahn-Ringes schon ausschließlich mit dem emissionsfreien Fahrrad ausgefahren.
Die Entwicklung des ökologischen Landbaus in Brandenburg
Das Flächenwachstum ökologisch bewirtschafteter Nutzflächen entwickelte sich 2020 weiter positiv und lag mit 7,75 Prozent leicht über dem der Vorjahre (2018: 4,65 Prozent, 2019: 7,13 Prozent). Die Ökofläche im Land Brandenburg wuchs im Jahr 2020 um 13.500 Hektar auf rund 185.000 Hektar und damit auf 14,2 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche (Quelle: Mitteilung aus dem MLUK).
Trotz dieser positiven Entwicklung sind noch erhebliche Anstrengungen notwendig, um die im Koalitionsvertag festgelegten 20 Prozent Ökofläche in Brandenburg bis 2024 zu erreichen. Die wichtigsten Impulse werden in der Einführung einer Umstellungsprämie und der Umsetzung des 2021 auszuarbeitenden Ökoaktionsplanes gesehen.