Brexit und kein Ende: Nachdem sich die britische Regierung auf kein gemeinsames Szenario für den eigentlich für den 29. März 2019 geplanten Ausstieg aus der Europäischen Union einigen konnte, läuft jetzt die Uhr am 31. Oktober ab. Doch noch herrscht Ungewissheit, ob und in welcher Form ein geregelter Ausstieg passieren wird.
Die Auswirkungen des Brexits auf den Handel sind noch unvorhersehbar da das unablässige Hin und Her ein großer Sorgenpunkt für den Handel ist. Niemand kann sich konkret vorbereiten und nur wenige Unternehmen haben die Finanzkraft, Strategien für jedes mögliche Szenario zu entwickeln.
Dabei sind gerade Deutschland und Großbritannien eng verbunden. Das Handelsvolumen zwischen der Bundesrepublik und dem Vereinigten Königreich lag im Jahr 2018 bei rund 199 Milliarden Euro. Eine Dreiviertel Million Arbeitsplätze in Deutschland sind damit direkt verbunden. Zudem haben deutsche Unternehmen rund 400.000 Mitarbeiter in 2500 Niederlassungen auf der Insel.
Wie dramatisch sich der Brexit auswirken wird, hängt vorrangig von seiner Form ab. Der von Premierministerin Theresa May bevorzugte, aber von einer Mehrheit des Parlaments abgelehnte „weiche“ Ausstieg, bei dem Großbritannien in der europäischen Zollunion verbleiben würde, scheint so gut wie aussichtslos. Der „harte“ Ausstieg, oder ein komplett ungeregelter „No Deal“-Abschied, würde Großbritannien aus wirtschaftlicher Sicht zu einem Drittland werden lassen, für das die gleichen Zölle und Regeln wie etwa für China und die USA gelten. Da sowohl die EU wie auch Großbritannien Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) sind, die den Rahmen für Importbedingungen innerhalb der Migliedsstaaten vorgibt, ist der Spielraum für anschließende Verhandlungen eng begrenzt. Für Deutschland als Exportland könnte, das aufgrund der üblichen Zälle schmerzhafte Folgen haben. Die Zölle für Autos aus der EU liegen bei Drittländern bei zehn Prozent.
Noch werden Fahrzeuge und Teile zollfrei nach Großbritannien exportiert. 30 Milliarden Euro war das im vergangenen Jahr wert. Wie stark sich eventuelle Zölle auf die Preise auswirken, hängt auch von den Wechselkursen ab. Das britische Pfund hat seit dem Referendum 2016, in dem die Mehrheit der Wähler sich gegen den Verbleib in der EU ausgesprochen hatte, mehr als zehn Prozent an Wert verloren. Das macht Importe aus Großbritannien deutlich günstiger.
Was die Exporte anbelangt, gehen Experten davon aus, dass sie um ein Drittel schrumpfen könnten.
Für Großbritannien wären die Folgen noch gravierender als für die EU-Länder, für die das Vereinigte Königreich zwar ein wichtiger Handelspartner, aber dennoch nur einer unter vielen ist.
Doch nicht nur der Gedanke an Zölle macht der Wirtschaft Sorgen. Sobald Brexit Tatsache ist, gelten die bisherigen gemeinsamen EU-Standards unter anderem bei Lebensmitteln micht mehr unbedingt. Das bedeutet im Falle von Änderungen seitens Goßbritanniens bisher unnötige Kontrollen von Waren an den Grenzen, um sicher zu stellen, dass die Importe EU-konform sind. Die so genannten nichttarifären Hürden machen sich wirtschaftlich zumeist genauso stark bemerkbar wie Zölle, vor allem, falls die Zollinfrastruktur und Personalstärke auf die neuen Herausforderungen nicht abgestimmt werden.
Bereits Anfang des Jahres war es in Großbritannien zu Hamsterkäufen gekommen, weil Konsumenten befürchteten, nach Ende März vor leeren Supermarktregalen zu stehen.
Ob London als Finanzzentrum von Paris, Frankfurt oder einer anderen EU-Metropole ersetzt wird, ist ebenfalls seit langem Gegenstand von Diskussionen. Etliche Banken haben bereits damit angefangen, ganze Abteilungen aus der britischen Hauptstadt auf den Kontinent zu verlagern. Sollte Großbritannien sich komplett vom europäischen Binnenmarkt verabschieden, kann durch die WTO zwar der Marktzugang für Güter geregelt werden, aber Banken, Anwaltskanzleien und ähnliche Dienstleister fallen nicht darunter. Britische Finanzdienstleister, die die wichtigste Exportbranche des Landes darstellen, hätten keinen freien Zugang mehr zu EU-Kunden. Die Umstellung einer ganzen, noch auf London fixierten Branche, könnte sich in der EU für Firmen und Verbraucher unter anderem in Form von teureren Krediten negativ auswirken.
Allerdings zeigen sich die deutschen Unternehmen trotz aller Ungewissheit vorsichtig optimistisch, was die Zukunft anbelangt. Die große Mehrheit geht von Rückgängen in der britischen Wirtschaftsleistung aus, aber für den eigenen Betrieb rechnen mehr Unternehmer mit Wachstum als mit einem Brexit-bedingten Rückgang, selbst wenn Großbritannien alle Brücken zur EU abbricht.