Man kann es nicht beschreiben, man muss(te) es erleben, denn kein einziges Wort würde ihm gerecht werden, dem grandiosen und inzwischen 27. Folkorum, welches am vergangenen Wochenende vor den Toren von Görlitz auf der verrückten Kulturinsel Einsiedel stattgefunden hat. Tausendfacher Dank ertönte alle Tage von allen Bühnen an Veranstalter, Künstler, aber auch Besucher, die sich nicht von „Karola“- wie Corona in der alten turisedischen Sprachkultur benannt wurde, unterkriegen haben lassen, und wie zum Trotz ein grandioses Festival für alle Liebhaber dieser verrückten Insel organisiert und besucht haben.
Fast bis zur letzten Minuten bangten Veranstalter und Fans, ob und wie man dieses lieb gewonnene Massenspektakel unter den widrigen Umständen durchführen kann. Letzten Endes sorgte ein klar strukturiertes Konzept, mit vielen gestrengen Ordnungswächtern dafür, das es von Oben grünes Licht gab und sich die Gäste wiederholt drei Tage lang auf der Insel wohlfühlen konnten, und diverse unvergessliche Erlebnisse mit nach Hause nehmen konnten.
30 Bühnen, 530 Künstler
Ganz dem Corona-Status angepasst, gab es dieses Jahr noch mehr Bühnen, um die Folklorumgäste zu verteilen.30 Bühnen und Veranstaltungsorte wurden erschaffen, 199 Auftritte gab es insgesamt an denen 530 Künstler beteiligt waren. 102 Kunsthandwerker-und Händlerstände erfreuten die Besucher, diverse Versorgungsstände waren auf dem gesamten Gelände, auch jenseits der Neiße verteilt. Über 300 Organisatoren, Bühnenbetreuer, Einlass- und Sicherheitskräfte und Helfer an allen Stellen des Parkes sorgten für einen mehr als reibungslosen Einsatz. An dieser Stelle ein riesen großes Dankeschön, das genau jene Leute es ermöglicht haben, das sich die Besucher bei gutem Wetter wieder so pudelwohl auf dem Gelände fühlen konnten.
Die vielen neu erschaffenen Bühnen waren mitunter so versteckt auf dem Gelände untergebracht, das es schon so einiges an Spürsinn brauchte, um diese überhaupt zu finden. Hatte man diese dann endlich gefunden, fühlte man sich gar manchmal wie in einem gemütlichen und fast intimen Wohnzimmerkonzert. Einige Gäste gerieten ins schwärmen. Ein Konzept, welches auch ohne Corona später gern Bestandteil des Festes sein könnte. Klein und fein war hier die Devise. Die gewohnten ausführlichen Programmhefte wurden zwar arg vermisst, aber auf Grund der Umstände konnten sie so kurzfristig nicht mehr gedruckt werden. Dafür gab es große Pläne mit einer mehr als abenteuerlichen Legende. So abenteuerlich, das kaum jemand die Hieroglyphen, was früher mal Buchstaben waren, entziffern und lesen konnte. Viele Helfer waren dabei auch überfragt, aber am Ende saßen wir alle in einem Boot, und irgendwann fand man dann doch den gewünschten Ort. Oder auch nicht. Turisede hatte so seine eigenen Schatzkartengeheimnisse.
Stelzentheater begeistert
Ein absolutes Highlight des Festes war das Tanz- und Performancetheater „Antagon“. Diesem futuristisch anmutenden Stelzentheater in ihren weiß-grauen Bandagen-Kostümen konnte man sich am Freitag Abend beim besten Willen nicht entziehen. Die Mimik und Gestik der Akteure, noch dazu zu erstklassig live gespielter Musik, war so eindringlich, das man sich manchmal erinnern musste, zwischendurch Luft zu holen. Die knappe Auftrittsstunde Stunde der Wohngemeinschafts-Theatergruppe aus Frankfurt am Main war grandios und ganz großes Kino. Auf der polnischen Seite am Seh-Cafe im Turiusversteck hatten sie ab Sonnabend eine große Fläche zur Verfügung und konnten sie gut in ihre eindringlichen Szenen des Stückes „Time Out“ einbinden. Über ein Wiederkommen würden sich hier viele Besucher freuen. Musikalisch war mal wieder die ganze Bandbreite vertreten, von virtuosen Musikern auf wunderbaren Instrumenten, oder einfach stimmungsgeladenen Bands, die es schafften, das so manches Mal die Erde vor der Bühne bebte. Die Bühnen wurden diesmal großräumig abgeschottet und immer nur eine bestimmte Anzahl der Gäste eingelassen. Hier war Maskenpflicht angesagt, und diese wurde auch überall eingehalten.
Gäste und Ordner hatten hier ein harmonisches Heimspiel. Nach der Eröffnungsveranstaltung, die diesmal parallel auf zwei Bühnen stattfand, gab es auf vielen Bühnen gleichzeitig tolle Programme zu erleben. Das Leuschner Akkordeon Duo hatte auf der Waldbühne gegen die Klänge aus der Konserve vom Klapperstorchgarten anzukämpfen. Das war dann doch etwas zu dicht, denn die Gäste tanzten sich auf dem Weg zum Elfenmarkt zu lautstarker Musik gut in Ekstase. Auch die Vagari heizten dem tanzwilligen Volk am späten Abend ordentlich ein. Stimmung pur auf der Insel! Monsieur Pompadur musste auf der neuen Waldseeebühne leider vorzeitig abbrechen, weil Petrus dann doch ein paar Regentropfen schickte, die die schönen Instrumente dann doch nicht abbekommen sollten. Lyrisch und romantische historische Musik konnte man am Sonnabend Mittag am Tavernum genießen.Vielerlei Streichinstrumente verbunden mit der sanften Harfe des Duos „MusicAventiure“ aus Mecklenburg verzückte die Hörer zum träumen durch vergangene Zeiten. Keltische und tanzwütige Musik gab es von „The Assassenachs“ auf der Holztanzbühne zu später Stunde. Stimmung pur erlebten die Gäste auch bei den bayrischen Musikern und Komödianten von „Gankino Circus“. Woher der Drummer diese extrem Power nahm, bleibt wohl sein Geheimnis, die Zuschauer bebten.
Am Sonntagnachmittag stand „Instrumentale, sanfte Klangwelten“ bei „The Trouble Notes“ in der Ankündigung. Wer dann dachte, nach drei tanzwütigen Tagen einen sanften Ausklang zu finden, wurde vom Inhalt der Band mehr als vom Gegenteil überzeugt. Geiger Bennet Cerven brachte mit seinem unvergleichlich grandiosen Geigenspiel die Leute mehr als in Ekstase und auch hier mussten die Beine wieder in Bewegung gebracht werden. Absolute Klasse, diese vier Musiker, die nicht nur mit wilden Melodien die Leute anheizen konnten, sondern auch mit ganz leisen Klängen zum träumen verführten. Dies übrigens auch auf dem Kopf spielend-echt verrückt. Neben Tanzworkshops für die Großen gab es alle Tage für die Kinder auf der Ärchenbühne unterhaltsame Programme.
„Nächstes Jahr, so glaub es mir, tanzen wir ohne Masken hier. Carola zieht in Harem ein, das wird das Paradies hier sein“- reimte ein Turisedenbesucher am Ende des Folklorums. So soll es sein, wir freuen uns auf 2021…