Wer hätte das am Anfang gedacht? Russland steuerte zielgerade zum Erfolg und das zu Recht. Bewegende Momente halten inne – wie lange dies sein wird verriet die Zeit. Sechs Tage lang strömten tausende Festivalbesucher von Spielstätte zu Spielstätte und widmeten ihre Aufmerksamkeit selbstbewusst den verschiedensten Filmwerken aus unterschiedlichen osteuropäischen Regionen. Ein Genuss auf hoher Ebene entfaltete sich frei und unabhängig. Am Samstagabend, den 08. November 2014 bekam die Lubina-Skulptur im Rahmen der feierlichen Preisverleihung ein neues Zuhause. Vier an der Zahl kamen frisch gebrannt aus dem Ofen zu uns in die Stadthalle – die Spannung war kaum noch auszuhalten und die Nervosität sprach ihr eigenes Rätsel. Mit galanter Stimme moderierte der smarte Typ Christian Mattheé den langersehnten Abend und ließ das Publikum zahlreich schmunzeln. Doch eines wusste er wirklich nicht hundertprozentig – soll ich küssen oder nicht. Geheim bleibt geheim. So glasklar wie die Lubina farbig strahlt, so klar war auch die Abstimmung der Internationalen Jurymitglieder über den Sieger des 24. FilmFestivals in Cottbus. Die Jury setzte sich aus verschiedenen Charakteren zusammen und machte die Teamarbeit zu einem persönlichen Erlebnis. Nana Djordjadze aus Georgien, Milenia Fiedler aus Polen, Eric Spitzer-Marlyn aus Österreich, Vladimir Burlakov aus Russland und Mike Downey aus Newton Abbot trafen die richtige filmische Entscheidung am Verleihungsabend.
Ivan I. Tverdovsky, der russische Drehbuchautor und Regisseur von ,,Corrections class‘‘, übernahm mit seinem herausragenden Film die Polposition und raste allen davon. Zum einen hielt er den Fipressci-Preis von der Ökumenischen Jury fassungslos in den Händen und wenig später, als sein Streifen noch für den Hauptpreis als bester Film ausgewählt wurde, fingen all seine Nervenstränge vor Überwältigung an zu vibrieren. Die Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten stifteten diesen Preis in Höhe von 20.000 Euro. Tverdovsky´s Werk erzählt die bewegende Geschichte über einem querschnittsgelähmten Mädchen, das sich in ihrer neuen Schule mit den gegebenen Umständen nicht identifizieren kann und nur von einigen Mitschülern akzeptiert wird. Nicht nur ihr Schicksal ist von Besonderheiten geprägt – sie selbst ist besonders. Anton und Misha hegen dieselben Gefühle für Lena und keiner von beiden kann seiner Gefühlswelt entfliehen. Dieser extreme Kampf um die Liebe ihres Lebens artet in einem äußerst brutalen Zwist aus. Doch das spiegelt nur einen gewissen Teil der Geschichte wieder. Ein weitaus bedeutsamer Aspekt ist das Bild in der Gesellschaft, in der die Menschlichkeit völlig ausgeblendet wird und unsichtbar erscheint. Das Wegsehen und die Ignoranz gegenüber der Betroffenen macht’s nicht einfacher.
Alexander Kott aus Russland wurde mit dem Spezialpreis für die beste Regie geehrt und erhielt für seinen Spielfilm ,,Der Test‘‘ die Stiftungsprämie vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) in Höhe von 7.500 Euro. Auch der Wettbewerbsspielfilm ,,Die Maisinsel‘‘ von George Ovashvili katapultierte sich in die Herzen der Zuschauer und rief spannende Diskussionen hervor. Über den Publikumspreis, gestiftet von der Lausitzer Rundschau in Höhe von 3.000 Euro, freute sich der Georgier sehr und nahm ihn herzergreifend entgegen.
Den Preis für die beste Darstellerin bekam Piroska Molnár für ihre schauspielerische Darbietung in ,,Freier Fall‘‘ von György Pálfi. Gestiftet wurde dieser von der Stadt Cottbus in Höhe von 5.000 Euro. Dementsprechend erhielt Emir Hadzihafizbegovic den Preis als herausragenden Darsteller für seine Rolle in ,,So sind die Regeln‘‘ von Ognjen Svilicic. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro stiftete die Sparkasse Spree-Neiße. Mit viel Lob und Anerkennung fuhr die Internationale Festivaljury fort.
Den Dialog-Preis für die Verständigung zwischen den Kulturen ging an den Film ,,Drei Fenster und ein Strick‘‘ von Isa Qosja aus Kosovo. Auch der Regisseur Daniel Sandu konnte seine Glücksgefühle wallen lassen und erhielt für seinen Kurzfilm ,,Pferdestärken‘‘ den Hauptpreis, der mit 2.500 Euro dotiert war. Nicht zu vergessen sind auch unsere Teenager von heute. Ein Kopf an Kopf-Rennen bremste sich nicht aus. Doch am Ende konnte es nur einen geben, der den Preis auf Händen trägt. Bei dem U18 Deutsch-Polnischen Wettbewerb Jugendfilm siegte ,,Poka heißt Tschüss auf Russisch‘‘ von Anna Hoffmann.
Gestiftet wurde dieses Preisgeld von der Handwerkskammer Cottbus in Höhe von 1.500 Euro. Gratulation.
Das 24. FilmFestival in Cottbus strahlte täglich jede Menge guter Filme aus und alle faszinierten auf ihrer eigenen sozialen Weise. Der Beweis lag klar auf der Hand, wenn man sich die Besucherzahlen so anschaute. Streifen wie: ,,Dual‘‘ – eine schüchtern zärtliche Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen, ,,Die Eigentümer‘‘ – was soll man tun, wenn man alles verliert, oder auch ,,Die Heilung‘‘ von Ivan Jovic, in dem dunkle Geheimnisse die Einsamkeit durchbrechen. Die Spielstätten waren immer gut besucht und das zeigt das osteuropäische Interesse der Festivalliebhaber ungemein.
Nach der Verleihungsgala floss die Liebe weiter durch den Abend, beflügelnd mit einer Brise unberührbarer Träumerei, denn mit Nana Djordjadzes Abschlussfilm ,,Meine Meerjungfrau, meine Lorelei‘‘ machten die ersten Liebeserinnerungen eine Zeitreise zurück in die Vergangenheit. Doch dazu mehr im zweiten Teil.
Es war eine gelungene Festivalwoche und die Stadt Cottbus beweist wieder einmal damit, dass es nicht nur wichtig ist Filme zu schauen, sondern auch versucht sich mit bestimmten Thematiken auseinander zusetzen und die eine oder andere Sicht noch einmal zu überdenken. Am Schlimmsten ist es, wenn man den negativen Ausblendungen den Vortritt lässt und nicht den Mut besitzt über spezielle Themen zu kommunizieren. Ein kurzes Anschneiden reicht da meist nicht aus, aktiv und selbstbewusst an sie heranzutreten, lässt die Wirkung schneller verstehen.
Im Anschluss der Feierlichkeit konnte man sich noch von frisch inspirierender Musik berieseln lassen und ließ die Korken bei der Abschlussparty so richtig knallen. Die Tanzfläche ausgelassen unsicher zu machen steckt in jedem Tropfen Blut. Der musikalische Hochgenuss verzauberte die Sinne ungemein. Mit Sängerin CARO und den beiden DJ´S Scampi und Äktschnbudä rockte das Glad-House bis spät in die Nacht. Eine bombastisch geile Party mit zufriedenen Gesichtern rundherum.
Die Freude auf das nächste Jahr 2015 ist besonders hoch, denn da feiert auch das FilmFestival sein 25. Jubiläum. Wir sind gespannt!
Fotos: Yulia Speich und Marko Ziesemer