Der Brandenburger Landeselternbeirat fordert eine ausgeweitete Teststrategie in Kitas und Schulen und lehnt Schließungen ab einem dreitägigen Inzidenzwert über 200 ab. Dass das flächendeckende Schließen immer noch eine Maßnahme der Politik sei, sei laut dem Beirat „ein Armutszeugnis für die Verantwortlichen“.
Der Brandenburger Landeskitaelternbeirat teilte dazu mit:
Wenn am 19. April 2021 im Land Brandenburg die Schließung von Schulen und Kitas bei einer 200er Inzidenz in Landkreis oder kreisfreier Stadt inkraft tritt, wird die am gleichen Tag startende Testpflicht in Schulen und bei Beschäftigten in Kindertagesstätten ad absurdum geführt. Dann testen wir, um zu schließen. Herzlichen Glückwunsch.
Dass nach über einem Jahr in dieser pandemischen Situation das flächendeckende Schließen von Schulen und Kitas immer noch ein Mittel der Wahl ist, spricht Bände und ist gleichermaßen ein Armutszeugnis für die Verantwortlichen. Darüber, ob und welche Auswirkungen das Infektionsgeschehen in Kitas und Schulen auf die gesamte pandemische Situation hat, wird auch ein Jahr später noch gestritten. Welche Effekte die praktizierten Maßnahmen wie Maskenpflicht, Teststrategie und Impf-Fortschritt haben, fließt in Entscheidungen kaum ein. Und Erfahrungswerte, dass auch bei geöffneten Kitas (Brandenburg Januar bis März) und bei zum Teil geöffneten Schulen (Niedersachsen Januar bis März) die regionalen Inzidenzen rapide sinken, werden ignoriert.
Und jetzt verhindern Politik und Wissenschaft mit ihrer Forderung nach einer baldigen bzw. sofortigen Schließung von Schulen und Kitas auch noch den eigentlich so sinnvoll erscheinenden Ansatz einer flächendeckenden Strategie mit regelmäßiger Testung nahezu aller am System Beteiligten und einem effektiven Monitoring von Infektionen und Infektionsketten. An welchen anderen Orten als Gemeinschaftseinrichtungen lassen sich mit diesen Mitteln Infektionen rechtzeitig erkennen, Kontaktpersonen isolieren und Infektionsketten nachvollziehen? Die Kinder und Pädagog*innen besuchen jeden Tag für eine lange Zeit den gleichen Ort, sie treffen die gleichen Menschen in immer gleichen Gruppen. Ein Schul- und Kitabesuch auf Basis einer guten Teststrategie erscheint derzeit effektiver als jedes Kontakttagebuch oder jede Corona- oder Luca-App. Wenn wir die Schulen und Kitas jetzt schließen, verlieren nicht nur die Kinder weitere Wochen oder Monate notwendige Bildungs- und Betreuungsangebote – nein, wir verlieren auch die Kontrolle über mögliche Infektionen bei den Kindern, ihren Familien und den Pädagog*innen.
Einmal mehr wird deutlich, dass die Gesellschaft einen anderen, einen erweiterten Blick auf die Zahlen entwickeln muss. Die Bewertung von Maßnahmen muss von weiteren Faktoren neben der Inzidenz abhängen – von der Auslastung des Gesundheitssystems zum Beispiel oder vom R-Wert, der das regionale Infektionsrisiko gut abbilden kann. Für Kitas und Schulen braucht es darüber hinaus einen einrichtungsbezogenen Maßnahmeplan: Die Schließung von Bildungsorten sollte vor allem vom einrichtungsbezogenen Infektionsgeschehen abhängen. Das z. B. in Potsdam und Bremen praktizierte Modell einer Kita-Ampel, auf deren Basis Einrichtungen gezielt eingeschränkt oder geschlossen werden können, bietet sich dabei als Vorbild für landes- und bundesweite Regelungen an.
Und dann kommt auch die so sinnvolle Teststrategie wieder in Fahrt: Schüler*innen, Pädagog*innen und vielleicht sogar auch Eltern regelmäßig testen, testen, testen. Und zwar um zu erkennen, zu reagieren und zu isolieren – und nicht um zu schließen.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende, Erik Stohn, zur Kritik des Landeskitaelternbeirates:
„Die Kitas werden nicht flächendeckend schießen, sondern nur in Abhängigkeit zur Infektionslage in Notbetreuung gehen. Dies ist nötig, um die Gesundheit der Brandenburgerinnen und Brandenburger zu schützen. Durch das Testen werden wir natürlich mehr Corona-Fälle entdecken, aber meiner Auffassung nach werden dadurch nur kurzfristig die Infektionszahlen nach oben gehen. Mittelfristig und langfristig werden entdeckte und isolierte Personen, die positiv getestet wurden, aber genau das Gegenteil bewirken: Die Zahlen werden nach unten gehen. Städte wie Tübingen und auch Potsdam zeigen ja bereits den Zusammenhang vieler Tests und geringer Fallzahlen.
Ob und wie Kitas und Schulen zum Infektionsgeschehen beitragen, darüber gibt es keinen Streit, sondern eine veränderte Lage: Das mutierte und ansteckendere Corona-Virus können auch kleinere Kinder schneller weitergeben, als seine Ursprungsvariante. Es ist daher geboten, dieses Wissen in die notwendigen Schutzmaßnahmen einzubeziehen.
Ich kann alle Eltern verstehen, die geschlossene Einrichtungen belastend empfinden. Niemand ergreift diese Maßnahmen, um Belastungen zu erhöhen. Diese Maßnahmen sind immer nur in der Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und den damit verbundenen Einschränkungen getroffen. Für diese Belastung wird der Bundestag die Kinderkrankentage nochmals von jetzt 20 auf 30 Tage pro Elternteil bzw. von 40 auf 60 Tage für Alleinerziehende ausweiten. Die SPD-Bundestagfraktion setzt sich im Zuge dieser Beratungen darüber hinaus für eine Höhersetzung der Altersbeschränkung ein. Hoffentlich können meine Kolleginnen und Kollegen im Bundestag dafür eine Mehrheit erreichen.“
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Red. / Presseinfo