Für den deutschen Fußball ist die bevorstehende WM in Katar eine Chance: Die Mannschaft hat die Gelegenheit, zu beweisen, dass sie nach wie vor zur Weltspitze gehört. Nach der Blamage bei der WM 2018 und dem enttäuschenden Abschneiden bei der EM 2021 könnte sie damit ihr angekratztes Ego wieder aufpolieren. Die Umstände dafür sind aber alles andere als ideal. Denn die Austragung der WM in Katar steht schon seit einiger Zeit in der Kritik, insbesondere aufgrund der Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der WM-Stadien. Kurz vor Beginn des Turniers melden sich nun einige Funktionäre des deutschen Fußballs zu Wort – und werden ungewohnt deutlich.
DFB stellt Forderungen an FIFA
Der DFB richtete sogar einen eigenen Kongress zum Thema „Sport und Menschenrechte“ aus, auf dem das Thema ausgiebig besprochen wurde. Bei seiner Eröffnungsrede stellte Präsident Bernd Neuendorf klare Forderungen an die FIFA. Sie solle einen Fonds zur Entschädigung von Arbeitern einrichten, die beim Bau der WM-Stadien verletzt wurden oder ums Leben kamen. Solche Leistungen seien im Menschrechtskatalog der FIFA ohnehin vorgesehen, die FIFA solle daher ihre eigenen Grundsätze ernstnehmen, so Neuendorf. Auch Oliver Bierhoff, Geschäftsführer der deutschen Nationalmannschaft, meldete sich auf dem Kongress zu Wort. Er betonte zwar, dass die Mannschaft ihre Lust am Turnier nicht verlieren dürfe. Trotzdem sieht er auch den deutschen Fußball in der Verantwortung, sich schwierigen Fragen zu stellen.
Hansi Flick: Deutliche Worte
Noch deutlicher wurde Bundestrainer Hansi Flick. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung machte der 57-Jährige klar, dass er die Entscheidung für Katar als Gastgeber für falsch hält. Es sei offensichtlich, dass in Katar sowohl in Bezug auf die Menschenrechte als auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit vieles nicht stimme. Schon vor einigen Wochen hatte Flick seine Bedenken geäußert, damals aber noch etwas vorsichtiger. Er fände es schade, „dass dieses Turnier keine WM für die Fans wird“, hatte er Mitte August erklärt. Viele seiner Bekannten würden auf die Reise nach Katar verzichten, sei es aufgrund der hohen Preise, sei es aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in dem Emirat. Nun, zwei Monate vor Beginn des Turniers, hat er sich zu deutlicheren Worten durchgerungen. Die Anreise zur WM stellt Flick aber natürlich ebenso wenig in Frage wie der DFB.
Vorfreude bei Fans weiter hoch
Trotz aller Probleme bleibt die Vorfreude auf das Turnier bei vielen Fans groß. Der Großteil der rund 2 Millionen Tickets ist bereits verkauft, Fans aus aller Welt werden zu der Veranstaltung anreisen. Streamingdienste wie DAZN oder Sky Sport verzeichnen schon jetzt einen Anstieg der Abonnements. Und auch die ersten Sportwetten auf das Event werden schon abgeschlossen. Als Favorit für den Turniersieg gilt aktuell Brasilien, gefolgt von Frankreich und England. Aber auch Deutschland räumen die Buchmacher ordentliche Chancen ein: Aktuell rangiert es bei vielen Wettanbietern auf dem sechsten Platz der Favoritenliste. Die Vorfreude dürfte auch deshalb hoch bleiben, weil die WM inmitten aller Sorgen um einen kalten Winter einen Lichtblick bietet. Die Eröffnungspartie des Turniers findet am 20. November zwischen Katar und Ecuador um 17 Uhr deutscher Zeit statt. Deutschland spielt seine erste Partei am 23. November um 14 Uhr deutscher Zeit.