Eine kleine Anfrage durch die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige von der Fraktion “Die Linke” im Brandenburger Landtag zum Thema “Verbindungen von Brandenburger Polizeibeamten zum Verein Uniter” beantwortete die Landesregierung ausführlich am 17.07.2020. Eine Teilantwort beinhaltete auch die Datenabfrage durch Polizeibeamte ohne Dienstbezug. In der Antwort ist demzufolge nachzulesen, dass drei Polizeibeamte des Polizeipräsidiums in Potsdam und ein Dozent der Hochschule der Polizei in Oranienburg, die Mitglieder des wegen Rechtsextremismusverdachts als Prüffall geführten Vereins “Uniter” waren, mindestens 118 Personendatenabfragen in polizeilichen Systemen ohne Dienstbezug vorgenommen haben.
Der Verein Uniter wurde vom ehemaligen KSK-Soldaten André S., alias Hannibal mitgegründet. Mitglieder sind vor allem aktive und ehemalige Polizisten und Soldaten, aber auch Anwälte und Feuerwehrleute. Das Bundesamt für Verfassungsschutz erklärte den Verein im Frühjahr 2020 zum Prüffall. Der Verein hat laut Landesregierung vielfältige Verbindungen zum sogenannten Hannibal-Netzwerk und den dazu gehörigen Prepper-Chatgruppen Nord, Süd, West und Ost, in welchen flüchtlingsfeindliche und teilweise rechtsextreme Inhalte geteilt wurden. Diese wurden ebenfalls von André S. gegründet. Öffentlich bekannt wurde zudem, dass in der Nordkreuz-Gruppe Listen politischer Feinde erstellt sowie Löschkalk und Leichensäcke geordert worden sind. Bei einem aus Mecklenburg-Vorpommern stammenden Mitglied der Nordkreuz-Gruppe, welches früher dem dortigen SEK zugeteilt war, wurde im Zuge einer Polizeirazzia Brandenburger Behördenmunition sichergestellt.
Bekanntwerden der Mitgliedschaften durch Bundesbehörde
Die Landesregierung beantwortete die Frage nach dem Bekanntwerden der Mitgliedschaften wie folgt: “Im Mai 2019 erhielt das Polizeipräsidium von einer Bundesbehörde den Hinweis, dass zwei Polizeibeamte des Landes Brandenburg Mitglieder im „UNITER e.V.“ sind. Hierbei handelte es sich um einen Beamten des Polizeipräsidiums und einen Beamten der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg. Im Rahmen eines Mitarbeitergespräches mit dem o. a. Beamten des Polizeipräsidiums wurde am 3. Juni 2019 darüber hinaus die Mitgliedschaft eines Studenten der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg bekannt. Dieser ist seit dem 1. Oktober 2019 Beamter des Polizeipräsidiums. Die Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg wurde am 12. Juli 2019 durch das Polizeipräsidium informiert. Im Rahmen von sensibilisierenden Gesprächen im Polizeipräsidium am 3. Juni 2019 sowie am 25. und 29. Juli 2019 wurden der Beamte des Polizeipräsidiums und der Student der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg durch das Polizeipräsidium auf die Problematik der Mitgliedschaft in diesem Verein aufmerksam gemacht. Am 2. September 2019 wurde mit dem damaligen Studenten nochmals in der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg gesprochen. Mit dem Beamten der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg gab es am 12. August 2019 und am 17. Dezember 2019 Gespräche. Nach Presseveröffentlichungen am 24. Februar 2020 und der Berichterstattung des ARDMagazins „Kontraste“ am 27. Februar 2020 hat die Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg ihren Beamten aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. Der Beamte des Polizeipräsidiums erklärte zum 25. Juli 2019 seinen Austritt aus „UNITER e.V.“ und der damalige Student der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg am 27. Juli 2019. Der Beamte der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg hat seine Tätigkeiten und Aktivitäten im Verein nach eigenen Angaben am 18. Dezember 2019 beendet. Der Beamte des Polizeipräsidiums war von April 2017 bis zum 25. Juli 2019 Mitglied im betreffenden Verein. Er übte keine leitende Funktion aus und unterstützte den Leiter des Distrikts Ost bei der Gewinnung und Betreuung neuer Vereinsmitglieder. Der ehemalige Student der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg war von 2013 bis zum 27. Juli 2019 Mitglied ohne Führungsfunktion. Er war im Distrikt Ost für die Kommunikationspflege und die Organisation von Treffen zuständig. Mögliche weitere Aktivitäten dieser Beamten im „UNITER e.V.“ sind hier nicht bekannt. Der Beamte der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg hat angegeben, er sei dem Verein Ende 2017 beigetreten. Im Jahr 2018 hätte er die Funktion des Kassenprüfers innegehabt. Ende 2018 wäre er zum Leiter des Distrikts Ost aufgestiegen.”
Mindestens 118 Abfragen
Der ehemalige Student der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg ist seit 1. Oktober 2019 Beamter des Polizeipräsidiums. Davor absolvierte er im Rahmen seines Studiums vom 18. Juni bis zum 30. September 2018 sowie vom 28. Januar bis zum 19. April 2019 zwei Praktika im Polizeipräsidium. Für die Praktika erhielt er temporäre Zugriffsrechte auf polizeiliche Informationssysteme. Insgesamt wurden durch die drei Beamten mindestens 118 Abfragen aus polizeilichen Informationsystemen gestellt, die keinen Dienstbezug hatten.
Nach einer Presseanfrage im März 2020 prüfte die Interne Revision des Polizeipräsidiums stichprobenartig das Abfrageverhalten der ehemaligen „UNITER e.V.“-Mitglieder des Polizeipräsidiums. Nach einer ersten Grobsichtung wurden bei einem der Beamten 28 Abfragen festgestellt, die keinen Bezug zu seinen dienstlichen Aufgaben hatten. In 17 Fällen bezogen sich Abfragen u. a. auf den Gründer von „UNITER e.V.“ Deutschland. Weitere elf Abfragen erfolgten zu seiner eigenen Person und zu seiner Lebensgefährtin. Der andere Beamte des Polizeipräsidiums tätigte 90 Abfragen in polizeilichen Auskunftssystemen, bei denen keine offensichtlichen direkten dienstlichen Bezüge gegeben waren. Beiden Bediensteten des Polizeipräsidiums wurden daraufhin sämtliche Zugangsberechtigungen für polizeiliche Auskunftssysteme entzogen. Wegen des Verdachts der unberechtigten Datenabfragen aus polizeilichen Informationssystemen wurden gegen beide Beamte Disziplinarverfahren wegen des Verdachts der Verletzung der beamtenrechtlichen Pflichten zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten eingeleitet. Die Staatsanwaltschaften in Neuruppin und Frankfurt (Oder) wurden gebeten, das Verhalten der Beamten auf strafrechtliche Relevanz zu prüfen. Die Landesbeauftrage für Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht des Landes Brandenburg wurde über den Verdacht des Verstoßes gegen das Brandenburgische Datenschutzgesetz in Kenntnis gesetzt. Die Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg wurde mit der Durchführung entsprechender Untersuchungen zu ihrem Beamten beauftragt. Eine Auswertung der während seines Praktikums durchgeführten Datenabfragen nahm das Polizeipräsidium vor. Durch den Beamten wurden im Zeitraum vom 20. April bis 28. Mai 2020 insgesamt 162 Abfragen in POLAS (polizeiliches Auskunftssystem für Strafsachen, inkl. einheitliches polizeiliches Informationssystem (INPOL) und Schengener Informationssystem (SIS)), ComVor-Index (elektronisches Vorgangsverzeichnis aller in ComVor (polizeiliches Vorgangsbearbeitungssystem) bearbeiteten Vorgänge), EWO (Landeseinwohnermelderegister) und dem AZR (Ausländerzentralregister) vorgenommen. Zunächst war nach erfolgter Grobsichtung bei 21 der 162 Abfragen kein direkter dienstlicher Bezug herstellbar. Im weiteren Verlauf der Auswertung ließen sich von diesen 21 Abfragen 17 direkt dienstlichen Vorgängen zuordnen. Eine weitere Abfrage beruhte auf einer Fehleingabe und drei Abfragen waren nachträglich nicht zuzuordnen. Anhaltspunkte für eine persönliche Beziehung zu den Überprüften oder sonstige sachfremde Interessen des Beamten waren nicht erkennbar. Der Beamte hat auch schriftlich versichert, keine unrechtmäßigen Abfragen veranlasst zu haben. Im Ergebnis muss bei einer Gesamtbetrachtung davon ausgegangen werden, dass eine missbräuchliche Nutzung der polizeilichen Auskunftssysteme und somit ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht vorliegt.
Welche Daten konkret abgefragt wurden, wollte die Landesregierung in der kleinen Anfrage aufgrund des laufenden Verfahrens nicht beantworten. “Bei der Überprüfung der Datenabfragen der beiden Beamten des Polizeipräsidiums handelt es sich um eine erste Grobsichtung. Nach dem sich der Anfangsverdacht eines dienst- bzw. strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens ergab, erfolgt die weitere Überprüfung nun im Rahmen von Disziplinar- und ggf. Strafverfahren. Darüber können hier keine weiteren Auskünfte erteilt werden”
Auf die Frage, ob die Landesregierung Erkenntnisse darüber hat, ob es weitere Beamte oder Mitarbeiter*innen der Landesverwaltung gibt, die Mitglied im Verein Uniter sind, antwortete diese, dass sie darüber keine Erkenntnisse hat.