Eine junge Frau mit einer Zerebralparese (spastisch kombinierte Mehrfachbehinderung) beginnt eine Berufsausbildung in Cottbus und hat die Paralympics 2016 fest im Blick
Vivien Hockwin sitzt im Rollstuhl, kann sich nur per Sprachcomputer verständigen, beginnt trotz aller Hürden eine Berufsausbildung und fährt erfolgreich Straßenrennen. Bei der „Nacht der kreativen Köpfe“ am 11.10.2014 ist sie in der Lausitz Arena dabei und zeigt getreu dem Motto der Veranstaltung wie das geht: „Bewegung und Sport für alle“.
Der Tag beginnt für die 19-jährige Lübbenerin schon früh: Um 6:15 Uhr holt sie der Fahrdienst ab und bringt sie zu ihrer Ausbildungsstätte nach Cottbus. Im Berufsbildungswerk hat Vivien im September 2014 eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement begonnen. Sie ist die erste Auszubildende, die das Berufsbildungswerk in Cottbus betrieblich ausbildet. Spezialisiert ist die Ausbildungsstätte auf die außerbetriebliche Berufsausbildung und Berufsvorbereitung von Jugendlichen mit gesundheitlichen Einschränkungen.
Büroarbeitsplatz neben der „Chefin“
In den ersten vier Wochen hat Vivien Hockwin schon einiges gelernt: Zu ihren Aufgaben gehört es z.B., den Postein- und -ausgang ihres Ausbildungsbetriebes zu bearbeiten. Ihren Arbeitsplatz hat sie im Büro der Leiterin der Ausbildungsstätte, Petra Müller. Hier steht ihr PC – der Hauptgrund, weshalb Vivien sich für den Büroberuf entschieden hat: Sie liebt das Arbeiten am Computer. Bei ihr zu Hause steht natürlich auch ein PC, lieber arbeitet sie jedoch mit dem Tablet. Aufgrund der spastischen Lähmung fällt ihr die Bedienung der Tastatur nicht leicht.
Berufsausbildung und Leistungssport meistern
Und nicht nur Vivien ist froh, dass sie Ihre Ausbildung in Cottbus beginnen konnte. Besonders freut sich auch Hans-Joachim Lehmann, ihr Trainer am Olympiastützpunkt Cottbus. Vivien gehört zu seinen großen Talenten im Behindertensport. Hätte sie aus Cottbus weg gehen müssen, um eine Berufsausbildung zu beginnen, wäre es auch mit der sportlichen Karriere vorbei gewesen. 2011 wurde Vivien bei den Deutschen Meisterschaften als „Beste Nachwuchssportlerin“ ausgezeichnet. Bei den Deutschen Meisterschaften 2012 und 2013 holte sie zweite und dritte Plätze, beim Eurocup 2013 in Prag zwei dritte Plätze und beim Eurocup 2014 in der Schweiz einen ersten und zweiten Platz. Vivien trainiert zweimal wöchentlich auf einem Dreirad, fährt Straßen- und Zeitrennen – Ihr großes Ziel: Die Teilnahme an den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro.
Noch viele Hindernisse auf dem Weg zur Inklusion
Doch auch in Zeiten, in denen das Thema Inklusion omnipräsent ist, war der Beginn der Ausbildung für Vivien nicht einfach. Viele Herausforderungen und kleine Details mit großer Wirkung machten den Ausbildungsstart zu einem Hindernisrennen. Nur durch das engagierte Zusammenarbeiten der Agentur für Arbeit Cottbus, des Integrationsfachdienstes Cottbus sowie des Behindertenbeirates der Stadt Cottbus konnte die Aufnahme der Berufsausbildung gelingen. Die Agentur für Arbeit unterstützt unter anderem, indem sie einen neuen Sprachcomputer und die Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes für Vivian finanziert. Der Integrationsfachdienst übernimmt den größten Anteil der Kosten für die Gestaltung des Arbeitsplatzes (z.B. Laptop, Telefon). Für dieses funktionierende Netzwerk in Cottbus findet die Teamleiterin des Berufsbildungswerkes in Cottbus, Petra Müller, nur lobende Worte.
Im November beginnt für Vivien die Berufsschule – auch deren Besuch war nicht mit einer einfachen Anmeldung getan. So ist der Beginn der Berufsausbildung von Vivien Hockwin zu einem Probelauf für eine inklusive Berufsausbildung in Cottbus geworden. Petra Müller hofft, dass das Beispiel in der Lausitz Schule macht. Mit etwas Engagement und guter Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen können auch Jugendliche mit Handicap eine Ausbildung in Unternehmen meistern. Angesichts des Fachkräftemangels allemal eine Überlegung wert, findet Petra Müller.
Die Veranstaltung „Bewegung und Sport für alle“ bei der Nacht der klugen Köpfe:
– 11. Oktober 2014, 19 – 24 Uhr
– Unter anderem: Inklusion kreativ (mit Ronny Ziesmer) und Inklusiver Bewegungsparcours (mit Vivien Hockwin, Mitmach-Parcours mit Handbike & Dreirad)
– Lausitz Arena, Herman-Löns-Straße 19, 03050 Cottbus
Das Berufsbildungswerk Sachsen in Cottbus kurz und knapp:
– 2007 durch die Berufsbildungswerk Sachsen GmbH, Dresden gegründet
– Acht Mitarbeiter, eine betriebliche Auszubildende
– 27 Teilnehmer an einer Berufsvorbereitung (BvB) und fünf außerbetriebliche Auszubildende
– Standort: Inselstraße 24 (Haus der Wirtschaft), 03046 Cottbus
Quelle & Bild: Berufsbildungswerk Sachsen GmbH