Forschung geht auch schon ohne Uniklinik, das machten CTK-Chef Götz Brodermann und die amtierende BTU-Präsidentin Christiane Hipp gestern in einem gemeinsamen Pressetermin deutlich. “Wir wollen nicht erst anfangen, wenn das Uniklinikschild angenagelt wird, sondern dann schon etwas vorzuweisen haben.” umreißt Brodermann die Vorhaben, die die eigens dafür gegründete Thiem Research GmbH mit dem Lehrstuhl technische Informatik der BTU vorantreibt. Aktuell sind drei Projekte mit Forschungsgeldern unterlegt, keines davon greift bereits aus Strukturwandelmittel zurück, das CTK geht bei dem Aufbau der Thiem Research GmbH, die erst seit Weihnachten 20219 existiert und mittlerweile zehn Mitarbeiter hat, in Vorleistung. Die Projekte drehen sich um die künftige Versorgung von Patienten und Diagnosen im ländlichen Raum mittels modernster mobiler Technik sowie im CTK, “EKG-Pflaster” die bis zu vier Wochen aufzeichnen können und Daten direkt verarbeiten, um Anomalien nicht nur zu erkennen sondern auch direkt handeln zu können und eine Industrie-in-Klinik-Plattform am Campus des CTK, um durch StartUps neue Medizinprodukte aus den Forschungen entwickeln und vermarkten zu können.
Wir haben bei Götz Brodermann (CTK), Steffen Ortmann (Thiem Research) und Professor Michael Hübner (BTU, LS – technische Informatik) zu den Themen, Plänen und Bedenken wie Datenschutz und der Verwendung von 5G Technologien nachgefragt (Titelinterview und Interviews im Artikel weiter unten). Bereits vor einem Jahr hatten wir in einem längeren Gespräch mit Götz Brodermann die Pläne für das Uniklinikum besprochen. (ebenfalls im Artikel als Video)
“Diese Projekte sind nur die Spitze des Eisbergs und dennoch reden wir hier über zweistellige Millionenbeträge für Forschung, die nach Cottbus fließen.” betont Steffen Ortmann, Leiter der Thiem-Research GmbH, einer 100% Tochter des Klinikums. Am Montag wurde in Berlin zudem eine Expertenkommission bekanntgegeben, die ein Konzept für das künftige Universitätsklinikum Cottbus erstellen soll. Bis zu 4.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze sollen bis Ende der 2020er Jahre entstehen.
Die Forschungsprojekte im Überblick
R&C.net: High-Tech-EKG-Pflaster sorgt für bessere Diagnostik und Therapie
Projektziel ist der Aufbau einer telemedizinischen Versorgung für kardiologische Risikopatienten. Herzstück ist der Einsatz eines sogenannten „EKG-Pflasters“. Der Patient klebt sich das Pflaster auf die Brust – seine Daten werden dann 4 Wochen lang ohne Batteriewechsel erfasst. Dadurch bietet das EKG-Pflaster zum einen eine wesentlich schnellere und längere Überwachung der Patienten als ein 24h-EKG und damit einhergehend mehr Sicherheit in der Diagnostik und Therapie.
BTU und Thiem-Research arbeiten derzeit an der Weiterentwicklung des „EKG-Pflasters“. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz sollen künftig Unregelmäßigkeiten erkannt und der Patient durch einen Warnton veranlasst werden, seinen Arzt aufzusuchen. Bis Ende nächsten Jahres soll ein Prototyp entwickelt sein und in die Testphase übergehen.
Alle erfassten Daten werden zentral in einem neuen Datenintegrationszentrum erfasst werden. Das Carl-Thiem-Klinikum ist dazu HiGHmed beigetreten, einem Verbund, der mit allen Universitätskliniken Deutschlands zusammenarbeitet. Der Vorteil für die Patienten: die Kliniken können auf alle Daten zugreifen, Austausch und Forschung werden so begünstigt. Durch den HiGHmed-Verbund steigt das CTK auch in eine deutschlandweite kardiologische Studie ein. Der finanzielle Projektrahmen für R &C.net liegt bei 3,6 Millionen Euro.
com(m)2020: Innovative Versorgungs- und Logistikstrukturen für die Patientennachsorge im ländlichen Raum
Das Projekt ist am 1. September 2020 in die Konzeptphase gestartet. Es geht um innovative Versorgungsstrukturen in der Lausitz. Im Hinterkopf haben die Forscher z.B. eine Art „Patienten-Uber“, dass Kliniken, Praxen, Verkehrsunternehmen und Pflegeeinrichtungen per App künftig miteinander verbunden werden und so der Transport vom Patienten im ländlichen Raum effizienter koordiniert wird.
Ebenso in Planung ist eine virtuelle Patientennachsorge über ein Chatboard. Gerade im ländlichen, dünn besiedelten Raum ist es vor allem für ältere Patienten schwierig, für Nachsorgetermine die Fahrt zu ihrem Arzt zu ermöglichen. An zentralen Stellen könnten telemedizinische Terminals hier Hilfe schaffen. Diese Terminals können den Kontakt zwischen Arzt und Patient ermöglichen und dem Arzt einen visuellen Eindruck vom Patienten geben. Zeitgleich können Vitalfunktionen (z.B. Blutdruck, Herzfrequenz) erfasst werden.
Auch der Einsatz von mobilen Ultraschallgeräten, die mit medizinischen (nicht ärztlichem) Personal über Land fahren, wird konzeptionell erarbeitet. Die Idee: eine Pflegekraft führt den Ultraschall beim Patienten zu Hause durch und filmt sich dabei. Der Arzt sieht so live die Ultraschallaufnahme und die Aufnahme der Untersuchung, kann die Pflegekraft anleiten und bekommt ein so umfassendes Bild, als hätte er die Sonographie selbst durchgeführt.
In der für neun Monate angelegten Konzeptphase ist eine intensive Zusammenarbeit mit den Kommunen in der Lausitz angedacht. 250.000 Euro stehen für die Konzepterarbeitung zur Verfügung, für die Realisierung 15 Millionen, verteilt auf sechs Jahre.
TEAM:exchange: Hand-in-Hand forschen und entwickeln Wissenschaftler, Mediziner und Ingenieure an neuen Produkten auf dem Klinikcampus
Hinter dem klangvollen Projektnahmen versteckt sich der Aufbau einer ‚Industrie-in-Klinik-Plattform‘. Das heißt, das Carl-Thiem-Klinikum könnte Startups und Projektentwicklern im medizinischen Bereich Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten auf dem Klinikcampus bieten. Die Entwickler haben dabei die Möglichkeit ihre innovativen Produkte, z.B. einen intelligenten Asthma-Inhalator, mit Klinikern zusammen und auf der Basis von realen Patientendaten zu entwickeln.
Für die Konzepterstellung sind 50.000 Euro bewilligt, 3 Millionen für die ersten fünf Modellprojekte in Aussicht gestellt.
Die 10 wissenschaftlichen Mitarbeiter der Thiem-Research GmbH und ihre Kollegen der BTU vom Lehrstuhl Technische Informatik haben sich viel auf die Fahnen geschrieben. Zusätzlich zu den bereits bewilligten Projekten sind noch weitere in Vorbereitung. Im Fokus steht u.a. der Aufbau eines 5G-Campusnetztes am Carl-Thiem-Klinikum. Das CTK wäre eine der ersten Kliniken bundesweit mit einem solchen Netz. Es wird u.a. neue Versorgungskonzepte und eine vernetzte Notfallversorgung ermöglichen.
Der Notarzt kann dann schon vom Einsatzwagen aus notwendige Untersuchungen anordnen, auch umfangreiche Patientendaten können aus dem Wagen übermittelt werden, im Klinikum wird dann schon vor Ankunft des Patienten alles Notwendige vorbereitet. Dadurch können künftig nicht nur Arbeitsabläufe optimiert, sondern auch Wartezeiten verkürzt und Therapien noch schneller eingeleitet werden. Durch die gemeinsame Forschung kann die Versorgung der Patienten, besonders im ländlichen Raum, zukünftig nicht nur sichergestellt, sondern auch verbessert werden.
Carl-Thiem-Klinikum Cottbus wird Uniklinik
CTK-Geschäftsführer Dr. Götz Brodermann sprach in unserem Videopodcast vor rund einem Jahr von einer einzigartigen Chance für das Klinikum und die ganze Region. Das ganze Video gibt es auf unserem Youtubekanal (hier entlang).
Am Montag wurde eine Expertenkommission eingesetzt, die das Konzept für das Uniklinikum erarbeiten soll -> Weiterlesen