Das 37. internationale Fest der sorbischen Poesie 2015 ist dem sorbischen Dichter, Dramatiker und Publizisten und Priester Józef Nowak gewidmet, der vor 120 Jahren in Ostro (Gemeinde Panschwitz-Kuckau, Landkreis Bautzen) als Sohn eines Bauern geboren wurde (gestorben 1978 in Radibor bei Bautzen).
Mit Lesungen und Konzerten – hauptsächlich am letzten Wochenende im Juni 2015 – sollen Werk und Wirken des bedeutenden Sorben vor allem auch der Jugend sowie der sorbischen, deutschen, polnischen und tschechischen Öffentlichkeit im Dreiländereck sowie in Dresden und Berlin nahegebracht werden. Mit dem Fest soll zudem neue sorbische Poesie gefördert werden, junge Autoren und Musiker genauso wie Nachdichtungen sorbischer Poesie in die deutsche und slawische Sprachen (und umgekehrt). Wichtige Partner für das weitgehnd ehrenamtlich organisierte Fest sind u.a. die Stiftung für das sorbische Volk, das PEN-Zentrum Deutschland, die Europäische Bewegung Sachsen e. V., das Literaturhaus in der Villa Augustin in Dresden sowie die Kirchgemeinden in Ostro und Radibor, Landkreis Bautzen, in denen Nowak geboren bzw. hauptsächlich gewirkt hatte. Unterstützt wird das Fest zudem durch die Städte Bautzen, Kamenz, die Gemeinde Nebelschütz sowie durch Firmen und etliche Sponsoren.
Józef Nowak besuchte u.a. das Gymnasium in Bautzen sowie in Reichenberg (Liberec) und Duppau (Doupov), war Zögling des Wendischen Seminars und des deutschen Gymnasiums in Prag, wo er auch Theologie studierte (abgeschlossen hatte er das Studium dann in Paderborn). Er war als Geistlicher in mehreren Kirchgemeinden der Lausitz tätig – in Crostwitz, Zittau, Bautzen und Radibor, von wo er 1940 – wie andere sorbische Lehrer und Geistliche – aufgrund einer Forderung der Nazis vertrieben worden ist. Nach der gewaltsamen Versetzung und Degradierung vom Pfarrer in Radibor zum Kaplan an der Dresdner Hofkirche wirkte er dort von 1941 bis 1945. 1944 saß er mehrere Wochen in Dresden in der Untersuchungshaft, da er sich nicht der Ideologie des herrschenden Regimes unterordnen wollte. In diesem Sinne begrüßte Nowak im Jahre 1945 auch die Niederschlagung des deutschen Nationalsozialismus in dem eindrucksvollen Gedicht “Befreit 1945”.
In der DDR wurde Nowak wieder politisch angegriffen sowie literarisch und publizistisch von den Machthabern ausgegrenzt, weil er sich nicht der herrschenden Politik und Ideologie (auch in der dann SED-geprägten Domowina) unterworfen hat. Wegen seines öffentlich geäußerten Überzeugung, dass “das Herz des sorbischen Volkes die Familie ist” (und nicht die staatlich gelenkten Institutionen) wurde er 1957 auf dem 4. Bundeskongress der Domowina von sorbischen und deutschen Spitzenfunktionären der SED als “Nationalist” und “nationaler Pessimist” verunglimpft.
Nowak, dem bereits 1988 ein internationales sorbisches Poesiefest gewidmet war, debütierte 1910 in der sorbischen Zeitschrift “Łužica” mit einem Nachruf auf Jakub Bart-Ćišinski, in dessen jungsorbischen Tradition er sich selbst mit einer expressiven Sprachdynamik in Gedichten und Essays zu artikulieren versuchte. In seiner Gedichtsammlung “Z duchom swobody” (Mit dem Geist der Freiheit, 1919) artikulierte er die Aufbruchstimmung der sorbischen intellektuellen Jugend um 1918/19. Mit erweiterten Neuauflagen dieser Sammlung bekundete Nowak auch unter schwierigen Bedingungen der DDR-Kulturpolitik seine Liebe zur sorbischen Sprache, zur Unabhängigkeit und Freiheitsstreben des Volkes der Sorben in Vergangenheit und Gegenwart. Beständig mahnte Nowak in seinen Gedichten und Texten zum eigenen Denken, half er der sorbischen Poesie des 20. Jahrhunderts Grenzen der Provinzionalität zu überwinden, was ihm in etlichen Texten gelungen ist.
Seine Gedichte wurden ins Deutsche, Tschechische, Slowakische und Polnische übertragen. Während des Festes wird ein Gedicht von Nowak auch russisch, ukrainisch, serbisch, slowenisch und arabisch zu hören sein.
Nowaks Gedichte sind veröffentlicht worden in mehreren repräsentativen Sammlungen und Anthologien sorbischer Poesie im In- und Ausland, u.a. in der in Heidelberg von Kito Lorenc herausgegebenen Sammlung “Das Meer Die Insel Das Schiff” (Wunderhorn, 2004).
Mit dem 37. Poesiefest soll daher auch wieder die Öffnung der sorbischen Literatur und Kultur zu den engeren und weiteren Nachbarn zum Ausdruck kommen. Deshalb wird auch eine Gruppe angehender Studenten der Germanistik und Slawistik der “Schlesischen Universität” Katowice/Sosnowiec mehrere Veranstaltungen des seit 1979 jährlich stattfindenden Poesiefestes in der Lausitz besuchen. Die jungen Polen haben sich mit Unterstützung des Sorbischen Künstlerbundes e. V. und der Europäischen Bewegung Sachsen e. V. in einem einjährigen Projekt bereits umfangreiche Kenntnisse über Sachsen und die Sorben erworben.
Zudem wollen wir auch in diesem Jahr mit dem Fest und mit Unterstützung des PEN-Zentrums Deutschlands unsere Solidarität mit verfolgten Schriftstellern bekunden. Und es werden junge Autoren und Musiker, darunter die bekannte sorbische Band DeuzyDoxs, in die vielen Kurzlesungen in zehn Sprachen einbezogen (dabei werden alle Wortbeiträge sorbisch und deutsch zu hören sein).
Ein Neuigkeit in diesem Jahr wird sein, dass in einer Lesung an das Wirken von Józef Nowak und weiterer sorbischer Dichter und Künstler in der sächsischen Landeshauptstadt erinnert wird. In einer Veranstaltung im Literaturhaus Villa Augustin werden sorbische und deutsche Autoren aus Sachsen und Brandenburg sowie aus Tschechien, Polen, der Ukraine, Syrien und Serbien auftreten. Domkapitular Šćěpan Delan aus Radibor wird die Kurzlesungen mit einer kleinen Vorlesung über das Wirken sorbischer Geistlicher an der Dresdner Hofkirche im 20. Jahrhundert einleiten.