Innenminister Karl-Heinz Schröter hat das Kabinett am (heutigen) Dienstag über beabsichtigte Veränderungen an den bisherigen Planungen zur Verwaltungsreform für Brandenburg informiert. Schröter legte dem Kabinett dazu eine Besprechungsunterlage vor. „Die Landesregierung hat immer betont, dass sie den Dialog will und sich sachlichen Argumenten nicht verschließen wird. Diesen Anspruch lösen wir jetzt ein“, sagte Schröter. Finanzminister Christian Görke stellte zudem die geänderten Vorschläge zur finanziellen Begleitung der Reform vor.
Der heutigen Befassung im Kabinett vorausgegangen war die gründliche Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen von kommunalen Spitzenverbänden, Landkreisen, kreisfreien Städten, Gewerkschaften und anderen Reformbetroffenen. „Diese breite Beteiligung war der richtige Weg“, betonte Schröter. „Wir haben dabei viele gute und bedenkenswerte Argumente gehört. Die Hinweise von zahlreichen Landräten, Oberbürgermeistern und Kommunalpolitikern zu verschiedensten Aspekten unseres Reformvorhabens waren sehr wichtig und haben letztlich in mehreren Punkten zu Änderungen unserer Vorschläge geführt. So geht gelebte Demokratie! Immer nur Nein zu sagen ist angesichts unabweisbaren Handlungsbedarfs dagegen keine Alternative.“
Ein Ergebnis dieser Auswertung ist der jetzt vorgeschlagene Verzicht auf den ursprünglich geplanten Landkreis Niederlausitz. Stattdessen wird vorgeschlagen, dass die bisherigen Landkreise Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz fusionieren sollen und die bisherige kreisfreie Stadt Cottbus in den Landkreis Spree-Neiße integriert wird. „Gegen den ursprünglichen Vorschlag wurde vorgetragen, dass der geplante große Landkreis territorial überdehnt sei, die ehrenamtliche Arbeit darin wegen der weiten Wege übermäßig erschwert und die Zusammenlegung von gleich vier Gebietskörperschaften ausgesprochen schwierig werden würde. Diese Argumente sind in einer Gesamtbewertung nicht einfach von der Hand zu weisen“, sagte Schröter zur Begründung des neuen Vorschlags.
Die Landkreise Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald sollen nach dem neuen Vorschlag des Innenministers ihre Eigenständigkeit behalten. Überlegungen, beide Kreise zu fusionieren, wurden aufgegeben. „Die Landkreise haben nachvollziehbar dargelegt, dass sie unter Berücksichtigung ihrer absehbaren demografischen, wirtschaftlichen und finanzpolitischen Entwicklung auch in Zukunft ihre Verwaltungsleistungen effizient werden erbringen können. Die nach dem Leitbildbeschluss des Landtages vorgegebene Mindesteinwohnerzahl von 150.000 wird in beiden Fällen dauerhaft überschritten werden. Diesen Argumenten kann und will ich mich nicht verschließen“, sagte Schröter. Mit diesen Änderungen an der geplanten Gebietskulisse würde Brandenburg ab dem Jahr 2019 aus elf Landkreisen und einer kreisfreien Stadt (Potsdam) bestehen.
Die Reaktionen aus den Landkreisen, Parteien und Städten folgten prompt:
Holger Kelch, Cottbuser Oberbürgermeister (CDU): „An diesen Vorschlägen sieht man noch deutlicher, dass es in der Landesregierung mit der Reform nicht darum geht, Verwaltungen zukunftsfähig zu gestalten, sondern politische Mehrheiten zu schaffen, um dieses hochkritisierte Reformprojekt doch noch im Landtag mehrheitsfähig zu machen. Das ist Hinterzimmerpolitik und hat nichts mit verantwortungsbewusstem Handeln zu tun. Die für Cottbus neu gewählte Variante, die Stadt in den Landkreis Spree-Neiße einzukreisen, ist die schlechteste aller Varianten, welche es für die Stadt geben kann. Sie schwächt die Stadt finanziell größtmöglich und widerspricht eindeutig dem Leitbild, da das darin festgehaltene Dominanzverbot verletzt wird. Im vom Landtag beschlossenen Leitbild ist unter Punkt 9 festgehalten, dass eine eingekreiste Stadt den neuen Landkreis nicht dominieren darf. Das bezieht sich sowohl auf das Verhältnis der städtischen Einwohnerzahl zur Gesamteinwohnerzahl des neuen Landkreises (Cottbus würde 2030 fast die Hälfte der Bevölkerung im neuen Landkreis stellen), als auch auf die prognostizierten Mehrheitsverhältnisse im neuen Kreistag. Es gibt auch weiterhin kein Konzept, wie die einzukreisenden Städte gestärkt werden sollen. Weiterhin gibt es auch kein Bekenntnis, zumindest die Verwaltungskraft durch Festlegung der einzukreisenden Städte als Kreissitze zu erhalten. Allein Cottbus würde knapp die Hälfte der jetzigen Verwaltung an den Landkreis verlieren. Was da in Potsdam heute vorgestellt wurde, ist aus meiner Sicht pure Willkür. Im ursprünglichen Referentenentwurf wurde die Variante Cottbus und Spree-Neiße gar nicht näher betrachtet, wohlwissend, dass sie so nicht möglich ist. Ich bin auch weiterhin der Überzeugung, dass die Kreisfreiheit für Cottbus die beste Variante ist. Dies haben wir auch in unserer Stellungnahme deutlich gemacht. Die neuen Pläne verdeutlichen das nur noch mehr. Meinen Auftrag durch die Stadtverordneten und die Cottbuserinnen und Cottbuser, dafür zu kämpfen, werde ich auch weiterhin wahrnehmen.“
Matthias Loehr (Die Linke) begrüßte den neuen Vorschlag: “Der Kreisvorstand von Cottbus und Spree-Neiße der Partei DIE LINKE begrüßt ausdrücklich die heutige Entscheidung des Brandenburger Kabinetts zur künftigen Kreisstruktur. Wir freuen uns, dass sich die Landesregierung von der Idee eines Niederlausitzer Großkreises verabschiedet hat. Leider hat uns der Cottbuser Oberbürgermeister auf diesem Weg kaum konstruktiv begleitet. Ihm war das parteipolitisch motivierte, sture “Nein” offensichtlich wichtiger als die inhaltliche Auseinandersetzung.Jetzt besteht die Chance, dass zusammenkommt, was auch zusammengehört. Cottbus und Spree-Neiße können zu einer natürlichen Einheit fusionieren. Die bestehenden Verwaltungskooperationen sollten daher zügig erweitert werden. Die von der Landesregierung angekündigte Teilentschuldung wird uns helfen, einen guten Neustart für die Region zu initiieren. Ein Dank geht an dieser Stelle an den Landrat Harald Altekrüger (CDU), den Landrat a.D. Dieter Friese (SPD) und den Oberbürgermeister a.D. Frank Szymanski (SPD) für ihr Wirken und ihre Stellungnahmen auf dem Weg zu einer gemeinsamen Gebietskörperschaft von Cottbus und Spree-Neiße.”
Michael Schierack, Mitglied des Landtages und CDU-Kreisvorsitzender: „Wir Cottbuser Christdemokraten lehnen weiterhin eine Einkreisung strikt ab. Wir sind erschüttert, dass die Landesregierung die deutlich über 100 000 Unterschriften gegen die vorgelegten Leitlinien für eine Kreisgebietsreform in Brandenburg nicht anerkennt. Auch die heutigen Korrekturen – z.B. der Abschied von der Lausitzbanane – sind reine Willkürentscheidungen. Der Zwang zu Fusionen ist weiter vorhanden und Zwang führt nun einmal nicht zu einvernehmlichen Lösungen.“
Péter Vida (Landtagsabgeordneter BVB / FREIE WÄHLER): “Die geplanten Änderungen sind aus sachlicher Perspektive kaum zu verstehen. So stellt sich die Frage, warum nun geplant ist, dass das unter der Leitbild-Mindestgröße liegende Teltow-Fläming unabhängig bleibt, während das um ca. 15.000 Einwohner größere und wachsende Barnim weiterhin zwangsfusioniert werden soll. Der Verdacht liegt nahe, dass es hier nicht um sachliche Gründe geht sondern um ein Entgegenkommen der SPD gegenüber dem Koalitionspartner Linke.”
Harald Altekrüger, Landrat Spree-Neiße (CDU): „Wieder einmal erweist sich die Kreisgebietsreform als nicht durchdachtes Stückwerk. Jetzt wird uns also doch die Konstellation 2 x 2 im Landessüden als der große Wurf präsentiert. In diesem Vorschlag zeigt sich erneut, dass den Aussagen der Landesregierung kein Glauben geschenkt werden darf. Das Zusammenlegen des Landkreises Spree-Neiße mit der Stadt Cottbus zu einer Verwaltungseinheit ist weder leitbildgerecht noch löst es das vielfach zitierte Dominanzproblem einer kreisfreien Stadt über den umschließenden Landkreis. Viele Fragen bleiben ungeklärt, besonders was die Komplettentschuldung der kreisfreien Städte und das Ausbleiben einer echten Funktionalreform angeht. Ich plädiere dafür, die gesamte Diskussion auf „Null“ zu setzen und unterstütze darum weiterhin die durch eine breite Bürgerschaft getragene Volksinitiative zum Stopp der Kreisreform. Zwangsfusionen sind für mich der falsche Weg zur Ausgestaltung effektiver und nachhaltig funktionsfähiger Verwaltungsebenen. Die Interkommunale Zusammenarbeit hat sich hingegen als Instrument der vertiefenden Zusammenarbeit zwischen mehreren Landkreisen und kreisfreien Städten bewährt.“
Axel Graf Bülow (FDP Brandenburg): „Angesichts des massiven öffentlichen Gegenwindes gegen die Verwaltungsstrukturreform beginnt nun auch der Innenminister zu wanken und bislang vertretene Positionen abzuräumen. Dass Herr Schröter nun sogar vom Ministerpräsidenten gegenüber der LINKE im Regen stehen gelassen wird, beweist, wie stark er mittlerweile beschädigt ist. Die Verantwortlichen erkennen mittlerweile selbst den deutlichen Reformbedarf an ihrer Reform. Wir fordern die Landesregierung daher auf diese Reform zurückzunehmen und statt Stückwerk den Brandenburgern ein abgestimmtes Gesamtkonzept vorzulegen. Dem irrlichternden Innenminister fehlt heute die Autorität, die geplanten Änderungen noch durchzusetzen. Ich fordere Den Ministerpräsidenten auf, ihn mit einem Machtwort endlich zur Raison zu bringen.“
Landkreis Oberspreewald-Lausitz: “Mit den beabsichtigten Änderungsvorschlägen der Landesregierung wurde in Teilen die Stellungnahme des Landkreises Oberspreewald-Lausitz zum Referentenentwurf zur Verwaltungsstrukturreform berücksichtigt und Forderungen des Landkreistages entsprochen. Auch hinsichtlich einer auskömmlichen und verbindlichen Finanzierung der Reform sowie die Änderung der Anzahl der Abgeordneten im Kreistag forderte der Landkreis Oberspreewald-Lausitz die Landesregierung in der durch den Kreistag beschlossenen Stellungnahme auf, diese Punkte in einer zwingend notwendigen Überarbeitung des vorliegenden Referentenentwurfs zu berücksichtigen. Ob aber die beabsichtigten Änderungsvorschläge von Innen- und Finanzminister letztendlich den leitbildgerechten, praktikablen und den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen werden, gilt es im weiteren Verlauf abzuwarten.”