Zu Beginn dieses Jahres kritisierte Papst Franziskus verheiratete Paare dafür, Hunde und Katzen statt Kinder zu haben. Es hagelte an Kritik, denn so manch einer erkannte hinter dieser Bitte oder gar Anweisung das reine Unverständnis der Kirche gegenüber Haustieren und der aktuellen Lebenssituation, in der sich viele Menschen befinden. Den Katholiken geht wohl der Nachwuchs aus. Wenn man jedoch bedenkt, wie sehr so manch einer sein Haustier verwöhnt, dann ist die Aussage nicht ganz verkehrt.
Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs
Die Generationen, die aktuell über eine Familiengründung nachdenken, müssen mit anderen Zeiten zurechtkommen als ihre Eltern. Seit 20 Jahren befindet sich die Wirtschaft in der westlichen Welt in einer Art Tumult. Die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 sorgte dafür, dass Millennials keinen leichten Einstieg in die Berufswelt fanden. Die steigende Inflation, mit der Gehälter nicht mithalten können, ermöglicht es der Generation Y immer weniger, sich niederzulassen und Wurzeln zu schlagen. Ein Haus zu kaufen rückt für viele in weite Ferne. Die aktuelle Pandemie sowie politischen Geschehnisse tragen ihr Weiteres dazu bei.
Die von ihren Eltern angehäuften Reichtümer zu erben, ist ebenfalls etwas, das erst in ferner Zukunft geschehen wird. Die Lebenserwartung der Babyboomers liegt bei 7 bis 8 Jahre über den ihrer Eltern. Eine anthropologische Studie der University of Missouri-Columbia hat gezeigt, dass Veränderungen in der Wirtschaft die größte Auswirkung auf die Geburtenrate haben. Eine Rezession sorgt dafür, dass Menschen ganz andere Sorgen haben, als über Nachwuchs nachzudenken. Wer jeden Tag ums finanzielle Überleben kämpft, der wird sich kein Kind wünschen.
Das Haustier als Kinderersatz
Haustiere sind günstiger als Kinder, bringen vermeintlich weniger Verpflichtungen mit sich und leben weniger lang. Es läge somit nahe, diese als Kinderersatz zu betrachten. Doch die Wahrheit sieht wesentlich komplizierter aus. Die Kosten für eine Katze betragen pro Monat zirka 40 Euro. Die eines Hundes liegen bei 30 bis 200 Euro. Die Ausgaben für Kinder von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr werden auf 550 Euro pro Monat geschätzt. Natürlich ist der finanzielle Unterschied deutlich zu erkennen. Aber…
Statistiken haben gezeigt, dass Haustiere gerade von Personen gehalten werden, die finanziell bessergestellt sind. Wer von früh bis spät arbeiten geht, um über die Runden zu kommen, der hat schlichtweg keine Zeit für einen vierbeinigen Begleiter. Selbst günstigere Haustiere wie Vögel, Fische, Reptilien oder Nagetiere bereiten in diesem Fall wenig Freude. Sie sorgen hingegen für noch mehr Arbeit.
Die Wirtschaft allein hat somit wenig mit der Haltung von Haustieren zu tun. Es müssen andere Gründe dahinterstehen, weshalb zwischen 2016 und 2021 die Anzahl der in Deutschland gehaltenen Haustieren von 31,6 auf 34,9 Millionen gestiegen ist. In denselben Jahren wurden 792.141 und 773.144 Kinder geboren. Während Haustiere einen Zuwachs von knapp 5% verzeichneten, fiel die Anzahl der Geburten gerade einmal um etwas mehr als 1%. Ein direkter Kinderersatz scheint das Haustier in diesen Jahren somit nicht gewesen zu sein.
Die Auswirkung der Haustierhaltung auf die Psyche
Eine der Hauptkritiken, die der Papst für seine Aussage erntete, war, dass die Haltung von Haustieren durchaus positiv ist. Tiere wirken sich auf vielerlei Ebenen auf den Menschen aus. Während Fische im Aquarium schwimmen und hierdurch eine beruhigende Eigenschaft mit sich bringen, können Hunde, Katzen und Nagetiere als Seelentröster dienen. Reptilien bringen wiederum einen Hauch Exotik mit sich, der sich Beobachten und erkunden lässt. Vögel wiederum unterhalten ihre Halter mitunter mit ihrem Gesang, dem hübschen Aussehen und verleihen mit ihrer Gabe, mühelos durch die Luft zu segeln, einen Hauch von Freiheit. Psychische Erkrankungen nehmen zu, Haustiere könnten diesen entgegenwirken.
Einem anderen Lebewesen gegenüber Verantwortung zu übernehmen, lehrt uns jedes Haustier. So auch sich mit dessen Bedürfnissen und Ansprüchen auseinander zu setzen. Hunde werden seit mindestens 12.000 Jahren vom Menschen gehalten, während uns Katzen seit mindestens 9.700 Jahren begleiten. Natürlich handelte es sich hierbei einst nicht um reine Schoßhündchen und Schmusekater, sondern diese Tiere dienten einem Zweck. Schutz, das Hüten von Schafen und der Einsatz bei der Jagd sind nur ein paar Beispiele. Dennoch entwickelte sich hieraus eine enge Freundschaft zwischen Tier und Mensch, die nicht unterschätzt werden sollte.
Die Vermenschlichung von Haustieren
Einen Trend, den Papst Franziskus jedoch durchaus angesprochen hat, ist die vermehrte Vermenschlichung von Haustieren. Waren sie einst eher Nutztiere, die beim Menschen lebten, stellen Tiere immer mehr einen festen Bestandteil der Familie dar. Das sollte an sich kein Problem sein, solange das natürliche Wesen des Haustiers berücksichtigt und gefördert wird. Doch nicht jeder tut dies. Manch ein Haustierhalter sieht in seinem Liebling tatsächlich eher ein kleines Menschenkind als ein Tier. Die vielfältige Auswahl an schicker Hundekleidung zeugt davon. Einen wirklichen Nutzen hat diese nur bei Hunden, die keine Unterwolle haben und somit bei Regen oder kälteren Wetterverhältnissen vor einer Erkrankung geschützt werden. Ein Chihuahua der durch eine beheizte Wohnung läuft, wird hingegen kein hübsches Jäckchen brauchen.
Wer dazu neigt, sein Haustier zu sehr zu vermenschlichen, läuft Gefahr dessen Bedürfnissen nicht gerecht zu werden. Eine artgerechte Haltung sollte stets im Vordergrund stehen, sodass sowohl Mensch als auch Tier von diesem Zusammenleben das Beste genießen können. Ob die Neigung zur Vermenschlichung jedoch wirklich aus dem eigentlichen Wunsch nach einem Kind entsteht, können uns wohl nur die jeweiligen Halter mitteilen. Und wer weiß, vielleicht wünschen sich diese Paare tatsächlich ein Kind und haben aufgrund einer Unfruchtbarkeit Trost in einem Haustier gefunden. Wir dürfen nicht vergessen, dass in Deutschland schätzungsweise jedes zehnte Paar ungewollt kinderlos ist.