In der Diskussion um den künftigen Standort der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen ist der Stadt Cottbus ein Teilerfolg gelungen. In der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus wird eine Außenstelle der Behörde eingerichtet in der Beratung und Bildungsarbeit möglich sind, das eigentliche Archiv bleibt in Frankfurt/Oder. Verschiedene Parteien hatten vorher für einen Komplettumzug in die Lausitz geworben.
Cottbus freut sich über Entscheidung
“Die Stadt Cottbus/Chóśebuz erwartet eine weitere Profilierung des Standortes der „Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus“ in der Bautzener Straße durch die Ansiedlung einer Außenstelle der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen. Einen entsprechenden Kompromiss haben die Koalitionsfraktionen vorgelegt – demnach bleibt das eigentliche Archiv in Frankfurt/Oder, in Cottbus/Chóśebuz sollen neben Beratung und Information sowohl Erinnerungsarbeit an das politische Repressionssystem als auch vor allem Vermittlung und Bildung stattfinden.”
Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe: „Dieser Kompromiss entspricht unserem wichtigsten Anliegen, am authentischen Standort in der Bautzener Straße verstärkt mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, zu informieren, die Strukturen von Diktaturen offen zu legen und Demokratiebildung zu betreiben. Gleichwohl hätten wir uns die Arbeitsplätze der Unterlagenbehörde für unsere Stadt im Strukturwandel gewünscht.“
Konzept für früheres Gefängnis
Die Stadt Cottbus will nunmehr gemeinsam mit verschiedenen Partnern – zuvorderst dem Menschenrechtszentrum e.V. – weiter an einer Entwicklungsstrategie für den Standort des früheren Gefängnisses arbeiten, der durch die früheren Häftlinge erworben wurde. Voraussichtlich im Herbst soll das Konzept öffentlich vorgestellt werden.
Reaktionen
Martin Kühne, bündnisgrüner Stadtverordneter in Cottbus sowie Mitglied von Aufarbeitung Cottbus e. V. und Menschenrechtszentrum e. V.: Die Entscheidung der Landesregierung, sich für den Erhalt des BStU-Archiv-Standorts in Frankfurt einzusetzen, ist für uns enttäuschend. Bedauerlich ist auch, dass die Entscheidung ohne systematische Abwägung der Standortvorteile von Cottbus und Frankfurt getroffen wurde. Die Forderung an den Bund, in Cottbus eine zusätzliche BStU-Außenstelle einzurichten, begrüßen wir. Seitdem Cottbus als Standort für das Brandenburger BStU-Archiv ins Gespräch gebracht wurde, ist vor Ort intensiv konzeptionell daran gearbeitet worden, wie das Archiv fruchtbringend für ganz Brandenburg in unserer Stadt verankert werden könnte. Die Stadtverordnetenversammlung hatte sich klar für die Ansiedlung des Archivs in Cottbus positioniert; eine von der Stadt beauftragte Potential- und Machbarkeitsstudie wird im Laufe des Juni vorgestellt. Cottbus bietet beste Bedingungen dafür, in Zusammenarbeit mit dem BStU-Archiv die Aufarbeitung von DDR-Unrecht in Brandenburg zu stärken. Mit der Einbindung des Archivs in das Gelände vom ehemaligen Zuchthaus bzw. des heute von ehemaligen politischen DDR-Häftlingen geführten Menschenrechtszentrums gibt es hervorragende Voraussetzungen, die Wirkung des DDR-Unrechtsstaats samt Ministerium für Staatssicherheit und dessen Akten auf authentische Weise zu erleben. Sowohl die bildungspolitische Gedenkstättenarbeit als auch die Forschungszusammenarbeit bilden zudem wichtige Rahmenbedingungen. Auch die Kostenfrage ist kein Argument für Frankfurt (Oder): Laut Roland Jahn, dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, wäre nicht nur in Cottbus, sondern auch in Frankfurt (Oder) ein Archiv-Neubau notwendig, weil die dortigen Gebäude nicht den aktuellen Standards für eine archivgerechte Lagerung entsprächen. Eine vergleichende Kostenschätzung für Frankfurt und Cottbus liegt gleichwohl bis heute nicht vor – und das obwohl u. a. von der bündnisgrünen Landtagsfraktion entsprechende Machbarkeitsstudien wiederholt eingefordert wurden. Die nun vorgeschlagene Einrichtung einer BStU-Auskunfts- und Beratungsstelle in Cottbus bliebe weit hinter den Erwartungen und Möglichkeiten zurück, wenn damit nicht der deutliche Ausbau der bildungspolitischen Gedenkstättenarbeit verbunden wird. Unklar ist nicht zuletzt angesichts der Corona-bedingten Finanz-Probleme im Bundeshaushalt, wie die Chancen für die Durchsetzung dieser Forderung gegenüber dem Bund stehen. Gleichwohl: Sollte sich der Bundestag für eine neue BStU-Außenstelle in Cottbus entscheiden, werden wir deren Arbeit mit ganzer Kraft unterstützen. Falls die vom Bund für Frankfurt in Aussicht gestellte Machbarkeitsstudie zu dem Ergebnis kommt, dass auch dort ein Neubau notwendig ist, muss das jedoch die bisher nicht erfolgte Klärung der Standortfrage an Hand inhaltlicher Kritieren zur Folge haben.”
SPD-Fraktionschef Erik Stohn: „Wir halten die Erinnerung an gleich zwei Orten hoch, damit die Stasi-Machenschaften nie in Vergessenheit geraten. Die Geschichte des SED-Staates muss auch weiterhin gründlich aufgearbeitet, dargestellt, vermittelt und erforscht werden – dezentral und vielfältig. Besonders jüngere Menschen sollen für sie verständlich und nachvollziehbar erfahren, wie grundlegend sich Diktatur und Demokratie unterscheiden. Bereits im Koalitionsvertrag haben wir uns verpflichtet, allen Schülerinnen und Schülern den Besuch mindestens eines Erinnerungsortes der DDR-Zeit zu ermöglichen. An beiden Standorten in Cottbus und Frankfurt (Oder) kann dazu wertvolle Arbeit geleistet werden. Das ist zugleich ein nachhaltiger Beitrag dazu, zivilgesellschaftliches Bewusstsein und Engagement zu stärken.“
Der CDU-Fraktionsvorsitzende, Dr. Jan Redmann, erklärt: „Mit der heutigen Entscheidung bekennt sich Brandenburg ausdrücklich zur Aufarbeitung des SED-Unrechts. Wir wollen nicht nur würdig der Opfer gedenken, sondern deren Schicksal im Rahmen der Erinnerungskultur und politischer Bildungsarbeit authentisch für die nächsten Generationen vermitteln. Gerade Cottbus ist dafür hervorragend geeignet, da es dort mit dem ehemaligen Gefängnis für politische Häftlinge und heutigem Menschenrechtszentrum bereits eine erfolgreiche Einrichtung gibt. Im Jubiläumsjahr der deutschen Einheit ist es ein gutes und richtiges Zeichen für Cottbus und Brandenburg.“
Der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Benjamin Raschke, erklärt: „Ziel der Koalition ist es nicht nur, alle Brandenburger Stasi-Akten zentral im Land zu archivieren, sondern auch, die Bildungsarbeit rund um das Thema DDR-Aufarbeitung insgesamt zu stärken. Der bestehende Frankfurter Standort und die zusätzliche Auskunfts-, Beratungs- und Informationsstelle in Cottbus sollen dabei sowohl als Anlaufstellen als auch als Ausgangspunkt für Veranstaltungen im ganzen Land dienen. Damit unterstreicht die Koalition auch, dass es neben dem nahen BStU-Hauptsitz in Berlin auch regionale Anker in Brandenburg für den Umgang mit dem Erbe der Stasi braucht.“
Foto: ©Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.