Nach dem gestrigen Angriff auf eine Synagoge in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt, bei dem ein Täter mit Schutzausrüstung und selbstgebauten Waffen versucht hat, in das Gebäude einzudringen, wurden auch in Brandenburg die Sicherheitsmaßnahmen vor Treffpunkten jüdischer Gemeinden, insbesondere vor der einzigen Synagoge im Land in Cottbus, erhöht. Der Täter in Halle wollte vermutlich zum jüdischen Versöhnungsfest “Jom Kippur” ein Blutbad anrichten, er gelang allerdings nicht in das Gebäude und erschoss im Umfeld zwei Menschen, zwei weitere wurden schwer verletzt. Er wurde später auf der Flucht von der Polizei gestellt.Nach Polizeiangaben handelt es sich um den 27-jährigen Deutschen Stephan B., der einen rechtsextremen sowie antisemitischen Hintergrund und zuvor ein Manifest verfasst haben soll. Laut Medienberichten spricht er darin von einem Rassenkrieg. Sein Hass richtet sich dabei gegen alle “Anti-Weiße” , vor allem aber gegen Juden. Der mutmaßliche Täter soll heute dem Haftrichter vorgeführt werden. Erst am Freitag war es in Berlin ebenfalls zu einem antisemitischen Vorfall gekommen. Dabei wollte ein 23-jähriger Syrer eine Synagoge mit einem Messer angreifen, er konnte von Objektschützern überwältigt werden.
Halle steht nach dem Anschlag unter Schock. Noch am Abend hatten sich hunderte Menschen in der Stadt versammelt, um zu trauern. Auch heute treffen sich Menschen aus der ganzen Republik in der Stadt, um Anteilnahme zu nehmen, miteinander zu sprechen, Blumen niederzulegen und Kerzen anzuzünden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Innenminister Horst Seehofer werden ebenfalls vor Ort sein,um an die Opfer zu erinnern aber auch um Solidarität mit der jüdischen Gemeinde auszudrücken.
Den Anschlag selbst übertrug der Attentäter über die Onlineplattform Twitch – knapp 36 Minuten lang. Das Video wurde daraufhin automatisch hochgeladen und kurz darauf vom Plattformbetreiber gesperrt. Auch soll der Täter seine Motivation und die Anschlagspläne zuvor in einem Manifest angekündigt haben. Wie Medien berichten, spricht der Attentäter darin von einem Rassenkrieg, der sich in seinen Augen vor allem gegen “den Juden” richtet. So leugnete er auch den Holocaust. Als potenzielles Anschlagsziel soll er ebenso Linke, Muslime sowie “Anti-Weiße” im Visier gehabt haben. Am Ende hatte er sich offenbar aber für eine Synagoge entschieden, weil Juden in seinen Augen Deutschland regieren und die Wurzel aller Probleme seien. Weil der Zugang zur Synagoge, in der sich rund 60 Menschen befanden, offenbar gesichert war, ließ er von seinem urprünglichen Plan ab. Darahin erschoss er eine Frau auf offener Straße und später einen Gast in einem Döner-Imbiss.
Der Angreifer hatte offenbar gezielt das Internet benutzt, um seine Tat zu per Helmkamera zu filmen und live zu streamen. Die Tagesschau berichtet in dem Zuge über die Gamification von Terror. Dabei konnte der Täter seine menschenverachtenden und vor allem antisemitischen Einstellungen mit einer Online-Community teilen. In speziellen Communities sollen Nutzer zudem diese Art von Anschlägen wie Egoshooter-Games behandeln. In dem Video soll der Attentäter selbst auch teils in englischer Sprache gesprochen haben, was auf eine international vernetzte Community schließen lässt. Die Ermittlungen laufen derzeit auf Hochtouren.
Die Polizei in Brandenburg erhöhte die Sicherheitsmaßnahmen vor Treffpunkten jüdischer Gemeinden im Land, insbesondere der einzigen Synagoge in Cottbus. Zudem ist man im engen Austausch mit der jüdischen Gemeinde in Cottbus. Wie lange die Maßnahmen laufen, ist derzeit noch nicht bekannt.
Am Rande der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, CDU und Grünen in Potsdam äußerten die drei Verhandlungsführer, Dietmar Woidke, Michael Stübgen und Ursula Nonnemacher, am Donnerstag ihre tiefe Bestürzung über den rechtsextremistischen Anschlag in Halle am Vortag. Man sei in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen und sei sich einig, dass der Schutz jüdischen Lebens eine elementare Aufgabe der künftigen Landesregierung sei. Auch eine stärkere Förderung jüdischer Einrichtungen wolle die neue Koalition voranbringen, hieß es. So sei die finanzielle Unterstützung des Baus einer Synagoge in Potsdam beschlossen worden.
Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte: „Dieser terroristische Anschlag auf uns alle erschüttert mich zutiefst. Jüdisches Leben gehört zu Deutschland und gehört zu Brandenburg. Antisemitismus und Rechtsextremismus begegnen wir mit klarer Kante. Der Schutz jüdischer Einrichtung und jüdischen Lebens wurde nochmal verstärkt. Ich habe meinem Kollegen, dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff meine Anteilnahme ausgedrückt und Unterstützung insbesondere durch die Brandenburger Polizei und Spezialeinheiten angeboten. Brandenburg ist ein tolerantes Land. Die Stärkung der Zivilgesellschaft, um rechtsextremen Aktivitäten entgegenzutreten, steht in unseren Fokus. Mit dem „Toleranten Brandenburg“ fördert die Landesregierung eine starke und lebendige Demokratie im ganzen Land.“
Der kommissarische Landesvorsitzende der CDU Michael Stübgen sagte: „Ein Angriff auf jüdisches Leben ist ein Angriff auf uns alle. Wir werden mit aller Entschiedenheit und Konsequenz jeder Form von Extremismus und Antisemitismus entgegentreten. Wir wollen jüdisches Leben in Deutschland bewahren und werden uns von keinem Terroristen stoppen lassen. Es ist unsere historische Pflicht als Deutsche, jüdisches Leben zu schützen und zu fördern. Deshalb freut es mich besonders, dass wir uns in der Koalition auf die Unterstützung des Baus einer Synagoge in Potsdam geeinigt haben. Juden sind in Brandenburg nicht nur willkommen, sie sind in Brandenburg zuhause.“
Ursula Nonnemacher von Bündnis 90/DIE GRÜNEN sagte: „Dieser Angriff ist zutiefst traurig und schockierend. Nach dem, was man heute weiß, handelte der Täter aus rechtsextremistischen, antisemitischen und rassistischen Motiven. Die Tat verstört neben ihrer Menschenverachtung auch, weil sie verdeutlicht, dass die Hemmschwellen politisch Verblendeter weiter sinken und diese ihren Hassparolen tödliche Taten folgen lassen. Neben dem besseren Schutz jüdischen Lebens und jüdischer Einrichtungen kommt es nun darauf an, die Hintergründe gründlich aufzuklären. Dies wird sicher auch weitere entschlossene Konsequenzen für die Arbeit der künftigen Landesregierung haben.“
red