Wie wird die Arbeit aussehen, die wir künftig verrichten werden? Wird es überhaupt genug Arbeit für alle geben oder wird nur noch ein Bruchteil der Bevölkerung arbeiten, während die Mehrheit ein bedingungsloses Grundeinkommen beziehen und sich in Selbstverwirklichung, Kindererziehung, Angehörigen- und Beziehungspflege sowie in gemeinnütziger Arbeit betätigen wird? Diese Fragen sind derzeit nicht nur Teil vieler öffentlich geführter Debatten, sondern erhalten auch immer mehr Einzug in die Alltagsdiskussionen vieler Menschen. Doch was können wir Stand heute eigentlich tatsächlich über die gegenwärtige Verfassung sowie die Zukunft der Arbeit sagen? Allzu viel ist es nicht.
Ersetzen neue Jobs alte Jobs?
Ob uns die Arbeit ausgehen wird oder nicht, ist letztlich natürlich eine offene Frage, denn die Zukunft kann niemand vorhersehen. Allerdings weiß man aus der Soziologie auch, dass die soziale Wirklichkeit zu einem nicht unwesentlichen Teil von den in ihr wirkenden Akteuren auch miterzeugt wird und somit auch stets verändert oder reproduziert werden kann. So prophezeien etwa Berechnungen der Bundesregierung, dass bis 2025 rund 1,3 Millionen Jobs aufgrund von Automatisierung und Rationalisierung wegfallen werden. Gleichwohl, so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), sollen im Gegenzug gar 2,1 Millionen neue Jobs entstehen und so den Wegfall der alten Jobs aufwiegen. Deutschland werde die Arbeit folglich nicht ausgehen, so Heil im definitiven Duktus. Stellt man nun in Rechnung, dass der Bundesarbeitsminister nicht über mehr hellseherische Fähigkeiten verfügt, als jeder andere Bürger und jede andere Bürgerin, zu denen wohlgemerkt natürlich auch der Pop-Philosoph Richard David Precht zählt, welcher im Grunde das Ende der Arbeit, so wie wir sie kennen, vorhersagt, dann kann man aus solchen Definitiven Aussagen nur den Schluss ziehen, dass darin nicht eine Feststellung, sondern ein Wunsch bzw. ein konkreter Zukunftsentwurf eingelagert ist: Während Minister Heil also eigentlich nicht »Deutschland geht die Arbeit nicht aus«, sondern »Deutschland soll die Arbeit nicht ausgehen« sagt, sagt Philosoph Precht nicht »in Zukunft wird es nicht mehr für jeden Arbeit geben«, sondern »in Zukunft sollen nicht mehr alle arbeiten«. Beide Wünsche bzw. Zukunftsszenarien sind natürlich sehr berechtigt, aber man sollte doch stets bedenken, dass es sich dabei um normative Zukunftsentwürfe und nicht um Tatsachenaussagen handelt.
Historisch gesehen, ist uns die Arbeit bisher nie ausgegangen
Die Frage nach der Zukunft der Arbeit kann man also nicht wissenschaftlich beantworten. Man kann allerdings in die Vergangenheit schauen sowie die gegenwärtige Bedeutung der Erwerbsarbeit im Leben von Menschen betrachten. Historisch gesehen, muss man feststellen, dass uns die Erwerbsarbeit, seitdem sie mit dem Beginn der Industrialisierung in den Mittelpunkt unseres Lebens gerückt ist, noch nie ausgegangen ist. Dabei hat man bereits von Beginn der Industrialisierung an prognostiziert, dass uns die Maschinen irgendwann die Arbeit abnehmen (manche würden wegnehmen sagen) werden. Das Gegenteil ist eingetreten: Trotz Automatisierung und Digitalisierung arbeiten wir mehr denn je und die Bedeutung von Erwerbsarbeit in unserem Leben war noch nie so hoch wie heute. Menschen nehmen heute lieber »Bullshit Jobs« (David Graeber) oder »Shit Jobs« an, als gar nicht zu arbeiten. Denn nicht zu arbeiten, heißt im Kontext des vorherrschenden neoliberalen Weltbildes, ja faul und ein Versager bzw. eine Versagerin zu sein. Und wer will das schon sein, faul bzw. Versager oder Versagerin? Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Zukunft der Arbeit offenbar schon anders: Die Frage ist nicht, das zeigen die Aussagen von Heil und Precht, ob uns die Arbeit ausgehen wird, sondern wie wir künftig zusammen leben wollen. Wenn wir weiterhin die Erwerbsarbeit zum Mittelpunkt unseres Lebens machen möchten, dann können wir versuchen, die gesellschaftlichen Verhältnisse so einzurichten. Und wenn wir uns davon befreien möchten, dann kann die Antwort ebenfalls nur lauten: Wir können versuchen, die gesellschaftlichen Verhältnisse so einzurichten.
Gegenwärtig, auch das zeigt die Aussage von Heil, scheint unser politisch repräsentierter Wille jedenfalls so auszusehen, dass wir die Erwerbsarbeit weiterhin erhalten möchten. Die Fakten sprechen für sich: Noch nie gab es mehr prekäre Beschäftigungs- und Lebensverhältnisse als heute, und noch nie wollten mehr Menschen mehr arbeiten als heute. Es gibt in der Tat zwar immer weniger Arbeit, aber die Arbeit, die es gibt, wird eben so verteilt, dass möglichst viele arbeiten können, und zwar einfach deshalb, weil wir als Gesellschaft das so wollen. Entsprechend schaffen wir neue Arbeitsformen und Jobs, etwa im IT-Bereich, die anscheinend genügend Inklusionspotenziale aufweisen, um den Stellenwert der Erwerbsarbeit weiterhin hochzuhalten. IT-Recruiter und Personalberater sorgen dabei dafür, dass die offenen Stellen schnellstmöglich und flexibel an die Anwärterinnen und Anwärter verteilt werden. Die Arbeit geht uns zumindest gegenwärtig also nicht aus, sie wird nur effizienter verteilt und neu organisiert.
Es ist von daher strittig, ob uns die Arbeit in Zukunft ausgehen wird. Wir können, wie gesagt, keine verlässlichen Aussagen über die Zukunft treffen. Was wir allerdings tun können, ist, uns einmal Gedanken darüber zu machen, welche Welt wir eigentlich lebenswerter bzw. wünschenswerter fänden: Eine Welt, in der wir weiterhin maßgeblich von der Erwerbsarbeit abhängig sind und nur wenig Zeit für unsere Leidenschaften, Beziehungen und Kinder haben oder eine Welt, in der die notwendige Arbeit, die wir verrichten müssen, nur noch einen lediglich klitzekleinen Bruchteil unseres Lebens ausmacht.