Einer der wichtigsten Stützpfeiler der deutschen Gesetzgebung ist das Verfassungsrecht. Als Teil des öffentlichen Rechts ist es im täglichen Leben allgegenwärtig, selbst wenn viele davon gar nichts ahnen. Es ist die Basis für alle Grundrechte und dient als Schablone für einen funktionierenden Staat. Man könnte sagen: Ohne Verfassungsrecht keine Bundesrepublik Deutschland. Aber warum ist das so?
Das Verfassungsrecht unter die Lupe genommen
Das Verfassungsrecht steht vor allen anderen Gesetzen. In Deutschland dient es zum einen der Staatsorganisation und zum anderen zur Regelung der Grundrechte eines jeden Bürgers. Es trat am 24. Mai 1949 in Kraft und ist bis heute das Kernstück der Republik.
Verfassungsrecht und Staat
Im Detail legt das Verfassungsrecht die Struktur des Staates fest. Im Fall von Deutschland bedeutet es, dass die Macht der einzelnen Staatsorgane beschränkt bzw. so geregelt ist, dass sie einzig dem Wohl des Volkes gelten soll. Das Verfassungsrecht garantiert die folgenden Prinzipien:
- Rechtsstaat (verfassungsgemäße Bindung des Staats an Recht und Gesetz)
- Demokratie (Macht und Regierung gehen vom Volk aus)
- Republik (Regierende werden für eine bestimmte Zeit vom Volk gewählt)
- Bundesstaat (Föderalismus d.h. es gibt Teilstaaten innerhalb eines Gesamtstaats)
- Sozialstaat (Staat muss für soziale Sicherheit/Gerechtigkeit sorgen)
Der Gesetzestext legt die Souveränität in die Hände der Bürger. Diese wählen dann im Sinne der repräsentativen Demokratie einen Vertreter in das Parlament, der ihre Interessen vertreten soll. Die einzelnen deutschen Bundesstaaten sind innerhalb eines föderalen Systems verbunden und sind über Rechte und Pflichten mit dem Bundestag verkettet. Staat und Länder regulieren sich sozusagen gegenseitig. Das betrifft beispielsweise die Aufgabenverteilung und die Gesetzgebung.
Verfassungsrecht und Grundgesetze
Gleichzeitig versichert das Verfassungsrecht den Bürgern auch unveränderbare Grundrechte, die das Verhältnis zwischen der Staatsgewalt und den Staatsbürgern regeln. Diese Rechte sind als Art. 1 bis 20 im sogenannten Grundgesetz verankert. Dazu gehört zum Beispiel:
- Die Würde des Menschen ist unantastbar.
- Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
- Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
- Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
- Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.
Es liegt in der Aufgabe des Staates die Grundgesetze zu schützen, zu bewahren und durchzusetzen. Bei näherer Betrachtung kann innerhalb des Grundgesetzes noch in Bürgerrechte (Beginnt meist mit „Alle Deutschen haben das Recht…“) und Menschenrechte („Jeder hat das Recht…“) unterschieden werden. Weiterhin klassifiziert man in:
- Abwehrrechte (klassische Freiheitsrechte, schützen den Einzelnen vor öffentlicher oder staatlicher Gewalt, z.B. durch das “Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit“ oder dem „Schutz der Wohnung“ usw.)
- Leistungs-, Teilhabe- und Schutzrechte (aktiver Staat erforderlich zum Schutz einzelner Gruppen, z.B. Schutz von Müttern oder Asylrecht für Flüchtlinge usw.)
- Teilnahme- und Gestaltungsrechte (gewährleisten z.B. aktives und passives Wahlrecht oder Chancengleichheit beim Zugang zu öffentlichen Ämtern usw.)
Wenn solche Rechte verletzt werden, besteht die Möglichkeit das Verfassungsrecht einzuklagen (Verfassungsbeschwerde genannt). So kann ein Geschädigter mit Hilfe eines Rechtsexperten einen verfassungswidrigen Akt vor dem Verfassungsgericht geltend machen. In diesem Prozess kann das Verfassungsgericht nun entweder ein Gesetz für nichtig erklären, die verfassungswidrige Entscheidung aufheben oder eine Sache an ein zuständiges Gericht zurückverweisen. In der Quintessenz prüft das Verfassungsgericht in seiner Rolle als Kontrollorgan also nur, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde oder nicht.
Ist das Verfassungsrecht immer gültig?
Die Antwortet lautet: Ja, aber unter Vorbehalt! Denn das Verfassungsrecht, und ganz speziell das Grundgesetz, ist ein Produkt deutscher Geschichte, das verhindern soll, dass es niemals mehr zu Geschehnissen wie im Dritten Reich kommen kann. Dafür ist es stark im Wesen der Bundesrepublik verankert. Im Jahr 2019 feiert das Grundgesetz seinen 70. Geburtstag. Trotzdem kann das Verfassungsrecht geändert werden – jedoch nur unter erschwerten Voraussetzungen:
- Der Gesetzestext muss sich grundlegend vom Bestehenden unterscheiden.
- Zwei Drittel der Bundestagsmitglieder müssen dafür stimmen.
- Zwei Drittel des Bundesrates müssen dafür stimmen.
- Änderungen zum bundesstaatlichen Aufbau/Einfluss der Länder sind verboten.
- Art. 1 (Menschenwürde) und Art. 20 (Staatsaufbau) können nicht verändert werden.
Die Länder benötigen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landesparlament zur Änderung der landesspezifischen Verfassung (in Bayern & Hessen sind zusätzliche Volksabstimmungen von Nöten)