Viele Eltern sind besorgt, wenn ihre Kinder viel Zeit mit „zocken“ verbringen. Schließlich macht das träge, aggressiv, gleichgültig und ist schlecht für Augen und Konzentration. Dass dem nicht so ist und welche Auswirkungen Videospiele tatsächlich – nachweislich – auf das menschliche Gehirn haben, erklären wir hier.
Mythos: Konzentrationsschwäche
Am Center for Visual Sciences an der University of Rochester fand man das genaue Gegenteil heraus: Die Aufmerksamkeitsspanne und die Fähigkeit sich stark zu konzentrieren sind bei Videospielern messbar größer als bei Nicht-Spielern. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei Spielen mit großer taktischer Komponente wie League of Legends. An der Mailman School of Public Health, die zur Columbia Univeristy gehört, hat man außerdem festgestellt, dass Kinder, die regelmäßig Videospiele spielen, bessere schulische Leistungen erbringen als ihre nicht zockenden Altersgenossen.
Mythos: Schlechte Augen
Wer zu oft und zu lange Videospiele spielt, der schadet seinen Augen und wird irgendwann eine Brille tragen müssen. Dieses Gerücht ist nicht nur unwahr, das Gegenteil ist tatsächlich der Fall: Regelmäßiges Gaming schult die Augen und Sehfähigkeit in besonderem Maße. Bereits 2007 stellten Wissenschaftler bei einer Studie in New York fest, dass bereits 30 Stunden Spielzeit im Monat für eine erhebliche Verbesserung der räumlichen Wahrnehmung sorgen. Außerdem konnten die Gamer geringfügige Kontrastunterschiede in ihrer Umwelt um über 50% besser wahrnehmen als diejenigen Studienteilnehmer, die keine Videospiele nutzten.
Mythos: Gleichgültigkeit
Tatsächlich kann man sagen, dass Gaming gleichgültig macht. Aber in anderer Weise, als Kritiker meinen mögen. Wer regelmäßig zockt, ist bedeutend frustresistenter und bleibt bei Stress und Druck gelassener als andere Menschen. Zocker tendieren sogar dazu, durch Frustration angespornt zu werden, noch bessere Leistungen zu erzielen. So sorgen Videospiele dafür, dass ihre Konsumenten bei negativen Erlebnissen bedeutend ruhiger und bedachter bleiben als diejenigen, die nicht spielen.
Mythos: Aggressivität
Es stimmt wohl, dass man des Öfteren Schreie und Gebrüll aus den Gaming-Rooms der Bundesrepublik schallen hört. Das bestreitet niemand. Umso erstaunlicher ist es, was Studien über das Sozialverhalten von Gamern zeigen: Wer regelmäßig im Team spielt, egal ob online oder zu Hause im Koop-Modus, baut Aggressionen nachweislich ab. Nach den Partien, die durchaus stressig, laut und von verbalem Schlagabtausch geprägt sind, sind die Spieler ruhiger und entspannter, als ohne das Spiel. Das ist nicht auf Suchtbefriedigung zurückzuführen, sondern das Spielen wird als Entspannung wahrgenommen und funktioniert auch so. Diese Erkenntnisse stammen von der Ohio State University.
Mythos: Trägheit
In Bezug auf schulische Leistungen wurde dieser Mythos schon zu Beginn entkräftet. Auch durch Gaming ausgelöste mangelnde Konzentration konnte widerlegt werden. Es ist klar, woher dieses Gerücht kommt: Schließlich sitzen die Zocker ja nur vor der Kiste rum und bewegen sich nicht. In Wahrheit schult dieses „Rumsitzen“ sogar die Motorik und die Koordination, insbesondere von Hand und Auge. Das zeigt sich, wenn Sportarten betrieben werden, bei denen man Bälle oder ähnliches fangen muss. Wissenschaftler der australischen Universität Seakin haben diesen Effekt schon bei Vorschulkindern nachgewiesen. Daher ist Gaming kein Hobby, was man den Kleinen vorenthalten sollte.
Weitere Nebenwirkungen von Videospielen
Das Spielen von Videogames hat also positive Auswirkungen auf die Konzentration, auf die Augen, auf Frusttoleranz, auf das Sozialverhalten und auf die Motorik und Koordination. Doch das ist noch nicht alles. Wer regelmäßig Videospiele konsumiert, ist – unabhängig vom jeweiligen Alter – obendrein kreativer, entscheidungsfreudiger, reaktionsschneller und schläft sogar besser.
An der Michigan State University fand man heraus, dass die Kinder und Jugendlichen, die ihre Smartphones, Laptops und Tablets nicht nur zum Surfen und Chatten, sondern auch zum Spielen nutzten, bedeutend kreativer waren, wenn es darum ging, Bilder zu malen und Geschichten zu erfinden.
Forscher der University of Rochester stellten in mehreren Studien und Versuchen fest, dass Gamer Entscheidungen nicht nur schneller, bewusster und entschlossener treffen als andere Menschen, sondern dass sie auch ein feineres Gespür für ihre Umgebung und Veränderungen haben. Diese gesteigerte Aufmerksamkeit ihrem Umfeld gegenüber spiegelt sich auch in den Ergebnissen mehrerer Studien des Centers für Neurowissenschaften an der Universität Genf wider: Es zeigte sich, dass Gamer auffallend bessere und aufmerksamere Autofahrer sind als ihre Mitmenschen, die mit Videospielen nichts anzufangen wissen. Gamer fahren dabei nicht nur sicherer, sie lernen obendrein schneller, wie man überhaupt Auto fährt.
Indirekt bestätigt wird die These, dass Zocker die besseren Fahrer sind, durch zahlreiche Studien, die zeigen, dass das Spielen von Videogames die Reaktionsschnelligkeit erhöht. Die verbesserte Reaktionszeit kommt natürlich auch dem fahrerischen Vermögen zu Gute.
Eine Studie der Grand MacEwan Universität in Kanada förderte eines der interessantesten Forschungsergebnisse zum Thema Gaming zu Tage. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Menschen, die ihre Zeit regelmäßig mit Videospielen verbringen, auffallend ruhiger schlafen. Das liegt daran, dass Gamer regelmäßig in ihren Träumen die Kontrolle übernehmen und ihre Umwelt aktiv beeinflussen. Diese Art von Traum nennt man „Klartraum“ und er kommt besonders dann bei Gamern vor, wenn sie eigentlich einen Alptraum hätten. So können Spieler selbst dann noch ruhig schlafen, wenn Nicht-Spieler schweißgebadet aus einem Alptraum hochfahren.
Was all das bedeutet
Vor allem bedeutet es: Ruhe bewahren. Manche Kinder spielen gerne, oft und lange am PC oder ihrer Konsole, andere mögen es nicht. Keins von beidem ist ein Grund zur Besorgnis. Das wichtigste ist, mit den Kindern zu kommunizieren. Wenn das eigene Kind gerne Videospiele ausprobieren möchte, kann man bei einem fachkundigen Händler nach geeigneten Systemen suchen. Möchte das Kind lieber in den Fußballverein oder zum Tanzen, sollte man auch das ermöglichen. Kinder wollen viele Dinge ausprobieren und oft sind die neuen Hobbies nach kurzer Zeit wieder uninteressant. Da ein PC allerdings sehr vielseitig einsetzbar ist, sollte zumindest ein relativ aktuelles Modell in jedem Haushalt vorhanden sein.
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