Die Zustimmung in Ostdeutschland zur Energiewende ist so hoch wie seit drei Jahren nicht mehr. 78 % der Bürger, 77 % der Kommunen und 67 % der energieintensiven Unternehmen befürworten die Neuausrichtung der Energieversorgung. Dies ist das zentrale Ergebnis der Studie „Energiewelt Ost“, die das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. an der Universität Leipzig gemeinsam mit der envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM) zum vierten Mal durchgeführt hat.
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zustimmung zur Energiewende bei allen Befragten erhöht. Sie stieg bei den Haushalten um 5 %, bei den energieintensiven Unternehmen um 6 % und bei den Kommunen sogar um 16 %. „Nach wie vor herrscht in Ostdeutschland ein sehr positives Klima für die Energiewende. Dies ist bemerkenswert und belegt, dass diese in den neuen Bundesländern sehr viele Sympathien genießt. Zu denken gibt allerdings, dass Haushalte, Kommunen und energieintensive Unternehmen gleichermaßen unzufrieden mit der bisherigen Umsetzung sind. Hier ist in erster Linie die Politik gefordert“, so Dr. Oliver Rottmann, Studienleiter und geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums.
Haushalte und Kommunen kritisieren vor allem die ungerechte Kostenverteilung. Die energieintensiven Unternehmen bemängeln insbesondere den fehlenden Gleichklang von Deutschland und der Europäischen Union in der Energiepolitik. Ähnlich verhält es sich bei der gemeinsamen Vorgehensweise von Bund und Ländern bei energiepolitischen Frage- und Problemstellungen. Auch hier wünschen sich energieintensive Unternehmen und Kommunen mehrheitlich eine bessere Abstimmung. Neben der Bezahlbarkeit ist im Rahmen der Energiewende für alle drei Gruppen die Versorgungssicherheit am wichtigsten. Nur eine Minderheit ist der Ansicht, dass diese durch den Umbau der Energieversorgung grundsätzlich gefährdet ist. Lediglich die energieintensiven Unternehmen befürchten mehrheitlich, dass bei einem Kernenergie- und Kohleausstieg die Versorgungssicherheit leiden könnte. Nachdenklich stimmt, dass zirka zwei Drittel aller Befragten nicht bereit sind, für die in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hohe Versorgungssicherheit mehr zu bezahlen. Hier zeigt sich beispielhaft, dass bei der Kostenbelastung durch die Energiewende für alle Verbraucher in Ostdeutschland eine Schmerzgrenze erreicht ist und man sich sichtlich schwer tun, weitere finanzielle Aufwendungen zu leisten.
Dies belegt auch die Aussage, dass für alle Befragten Preiserhöhungen die spürbarste Auswirkung der Energiewende sind. Insbesondere Kommunen und energieintensive Unternehmen geben an, dass sie sich aus diesem Grunde inzwischen sehr viel intensiver mit dem Thema Energie beschäftigen als in der Vergangenheit.
Haushalte
Um die Energiekosten zu senken, legen immer mehr Haushalte Wert auf einen schonenderen Umgang mit Energie. 87 % haben im Zuge der Energiewende ihr Verbrauchsverhalten geändert; 76 % effizientere elektrische Geräte angeschafft. Nachholbedarf besteht bei der Gebäudesanierung und dem Einsatz intelligenter Steuerungsgeräte. Nur rund ein Fünftel der Haushalte macht davon Gebrauch. Darüber hinaus gehend sieht mehr als die Hälfte keine weiteren Möglichkeiten, wo sie noch Energie einsparen soll. Bestehende Förderprogramme werden von der breiten Mehrheit als ausreichend eingestuft. Das gleiche gilt für die Aufklärung. Hauptinformationsquelle beim Thema Energiesparen sind für die Haushalte die Medien.
Kommunen
Auch die Kommunen gehen beim Energiesparen mit gutem Beispiel voran. Im Mittelpunkt stehen die Anschaffung von effizienteren Geräten und Anlagen (92 %) sowie die Gebäudesanierung (78 %). Ausbaufähig sind die Änderung des Verbrauchsverhaltens (54 %) und der Einsatz intelligenter Steuerungsgeräte (46 %). Wie die Haushalte sind auch die Kommunen mit den vorhandenen Förderprogrammen und der bestehenden Aufklärung zufrieden. Über ein Drittel ist sich im Unklaren, wo weitere Einsparpotenziale liegen könnten. Informationen zum Thema Energiesparen beziehen die Kommunen in erster Linie aus den Medien und über ihren Energieversorger.
Energieintensive Unternehmen
Energiesparen ist auch für die energieintensiven Unternehmen eine Pflichtaufgabe geworden. Besonders weit voran geschritten ist man bei der Umrüstung auf effizientere Geräte und Anlagen (97 %). Auch der Einsatz intelligenter Steuerungsgeräte findet immer stärkere Verbreitung (69 %). Drei Viertel der Befragten hat darüber hinaus ihr Verbrauchsverhalten geändert. Schwachstelle ist die Gebäudesanierung. Hier ist bislang erst jedes zehnte energieintensive Unternehmen aktiv geworden. Wie Haushalte und Kommunen äußern sich auch energieintensive Unternehmen überwiegend positiv über die zur Verfügung stehenden Förderprogramme und Beratungsmöglichkeiten. Hauptansprechpartner beim Thema Energiesparen sind für die energieintensiven Unternehmen ihre Branchenverbände. Daneben spielen auch für sie die Medien eine wichtige Rolle bei der Informationsbeschaffung.
„2015 stehen in Deutschland eine Reihe grundlegender gesetzlicher Neuregelungen auf dem Programm, die die künftige Ausrichtung der Energieversorgung nachhaltig prägen werden. Aus Sicht der ostdeutschen Energieverbraucher ist besonders wichtig, dass die durch die Energiewende bedingten Mehrbelastungen gerechter verteilt werden und sich Europäische Union, Bund und Länder in der Energiepolitik besser abstimmen. Dies sollten sich die Verantwortlichen bei den bevorstehenden Verhandlungen zu Herzen nehmen“, so Tim Hartmann, enviaM-Vorstandsvorsitzender. Für die Studie „Energiewelt Ost“ wurde im Rahmen von telefonischen und schriftlichen Befragungen von Januar bis Februar 2015 die Einstellung in Ostdeutschland zur Energiewende untersucht.
Befragt wurden 1.650 Haushalte, 781 Kommunen und 368 Unternehmen der energieintensiven Industrie.
Die komplette Studie ist im Internet abrufbar unter http://www.enviaM.de/Unternehmen/enviaM-Gruppe/StudieEnergieweltOst oder http://www.energiezukunft-ostdeutschland.de
Hintergrund
Das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. an der Universität Leipzig ist ein interdisziplinäres Zentrum, das sich im Rahmen einer praxisorientierten Forschung mit Fragestellungen der öffentlichen Wirtschaftsbereiche – auch an der Schnittstelle zur Privatwirtschaft – beschäftigt. Themenschwerpunkte bilden neben den öffentlichen Finanzen vor allem die Bereiche der Daseinsvorsorge (beispielsweise Energie- und Wasserversorgung). Das Zentrum wurde 2009 gegründet und beinhaltet elf Professuren aus Ökonomie, Jurisprudenz, Politikwissenschaft, Infrastruktur, Stadtentwicklung und Pädagogik.
Die enviaM-Gruppe ist gemessen an Umsatz und Absatz der führende regionale Energiedienstleister in Ostdeutschland. Der Unternehmensverbund versorgt rund 1,4 Millionen Kunden mit Strom, Gas, Wärme und Energie-Dienstleistungen. Zur Unternehmensgruppe mit rund 3.500 Beschäftigten gehören die envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM), Chemnitz, sowie weitere Gesellschaften, an denen enviaM mehrheitlich beteiligt ist. Gemeinsam gestalten sie die Energiezukunft für Ostdeutschland. Anteilseigner der enviaM sind die RWE AG mit 58,6 Prozent und rund 650 ostdeutsche Kommunen mit 41,4 Prozent.
Quelle: EnviaM
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