Ausstellung über Schicksal wendischer Auswanderer in Burger Heimatstube
Die Bahnstation Woito oder der Budarick-Lake in Kanada sind noch heute Beleg für die Auswanderung tausender Niedersorben, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine neue Heimat u. a. in Australien, den USA, Kanada und Süd-Afrika fanden. Die Heimatstube Burg (Spreewald) zeigt ihre Geschichten in der neuen Sonderausstellung „Sorbische/wendische Auswanderer aus dem Kreis Cottbus“.
Zitate aus dem Bordtagebuch von Christian Nagorcka, der vor ca. 150 Jahren nach Australien ausgewanderte – gelesen von rbb-Moderator Christian Mathée – geben authentisch das Schicksal der vielen Auswanderer wieder. Von 1850 bis 1920 verließen schätzungsweise 2500 Niederlausitzer Sorben (Wenden) aufgrund der wirtschaftlichen Notlage ihre Dörfer.
Heute finden wir auf allen Kontinenten sorbische/wendische Spuren und die Auswanderernachfahren zeigen ein stetiges Interesse an der „alten Heimat“. Sie haben bzw. suchen Kontakte zu Verwandten. So auch die Nachfahren von Christian Jarick aus Werben, der 1854 mit seiner Frau und einem Sohn nach Australien auswanderte. Rund 140 Jahre später stand plötzlich Prof. John Jarick (inzwischen Oxford) vor der Tür von Jens Jarick in Werben. Seither gab es viele Kontakte und Familientreffen. Nach dem Aufruf der Heimatstube, Material für die Sonderausstellung zur Verfügung zu stellen, hatte sich Jens Jarick gemeldet. Viele neue Details zur Auswanderung seines Urahnen erweitern nun das Wissen um die niedersorbischen Auswanderer und sind natürlich Bestandteil der Ausstellung in der Heimatstube.
Christian Jarick und seine Frau bekamen in Australien übrigens noch drei weitere Kinder, 37 Enkelkinder und unzählige weitere Nachfahren. Die Familie Jarick hat in Bethel in Australien ihren eigenen Friedhof und ihre eigene Kapelle.
Auch Klaus Hockwin aus Schmogrow meldete sich auf den Aufruf der Heimatstube. Die Auswanderergeschichte seiner Mutter und Großeltern ist besonders spannend. Seine Großmutter wanderte genaugenommen sogar zweimal aus (1923 und 1948) und kam am Ende doch wieder zurück.
Die Ausstellung, eine Leihgabe des Wendischen Museums Cottbus, gibt einen Einblick in ein beachtenswertes Kapitel sorbischer Geschichte und zeigt Ausschnitte einiger Familiengeschichten. Mit Stolz denken sie an ihre sorbische/wendische Herkunft, so sagt Theo Modrack mit Werbener Wurzeln: „das Wendische kommt bei mir aus dem Herzen.“ Vereine wie die „Wendisch Heritage Societys“ in Australien, Texas und Iowa pflegen das wendische Erbe.
Die Amerikanerin Cathy Peterson aus Iowa mit Drachhausener Wurzeln (Familien Muschick) entwickelte aus dem Auftrag ihres Großvaters: „Denke an die Vorfahren unserer Familie“ die „Wendish studie group“ mit lebendig Freundschaften zwischen Drachhausener Wenden und amerikanischen Nachfahren, vor allem in Iowa. Das Wendische Museum in Cottbus und die Heimatmuseen sind dabei eine wichtige Quelle bei Recherchen zur sorbischen Geschichte und Kultur geworden. Deshalb können sich gern weitere Menschen in der Burger Heimatstube melden, die Informationen und Zeitzeugnisse zur Geschichte der niedersorbischen Auswanderer beisteuern können.
Geöffnet ist die Heimatstube am Spreehafen in Burg (Spreewald) von Mittwoch bis Sonntag 13 bis 17 Uhr.
Zusatzinformationen von Christina Kliem, Wendisches Museum:
Im Zeitraum von ca. 1840 – 1880 können wir im Kreis Cottbus sogar von „sorbischer Auswanderung“ sprechen, da die Dörfer damals noch zu 80 bis 100 % sorbischsprachig waren. Auch in den Städten Peitz/Picnjo und Cottbus/Chóśebuz lebten viele Sorben (Wenden). Ein hoher Auswanderungsanteil kam aus den Dörfern Tauer/Turjej, Preilack/Pśiłuk, Werben/Wjerbno, Drachhausen/Hochoza, Burg/Bórkowy. Es waren vor allem Bauern, Kleinbauern, Häusler und Landarbeiter ohne Grundbesitz.
Familienschicksale zeigen, welche Höhen und Tiefen solch Wagnis mit sich brachte. Die beschwerliche Reise führte sie meist über Berlin nach Bremen oder Hamburg und dann mit dem Segelschiff nach Übersee. Dies dauerte Wochen und Monate und erfolgte anfänglich unter z.T. katastrophalen Bedingungen. Nicht wenige starben unterwegs an Krankheiten und Entbehrungen. Angekommen blieben Briefe der einzige Kontakt zur Heimat. In ihnen wird von Erfolgen und besseren Verhältnissen berichtet, aber sie enthalten auch warnende Worte.
Oft folgten Familienangehörige in Form von Kettenwanderungen nach. Sorben gründeten in Übersee mehrere Siedlungen. Die einzige niedersorbische Gründung war „Peter’s Hill/Peters-Berg“ in Australien.
Heute finden wir auf allen Kontinenten sorbische/wendische Spuren. In Kanada erinnern der Budarick-See und die Bahnstation Woito an niedersorbisch-wendische Kolonisten. In Süd-Afrika befinden sich im Kaffraria-Museum Archivalien der wendischen Familie Kokott, im „Canadian-museum of civilisation“ Möbelstücke von Tischler August Böhm aus Tauer.
Der Pfarrer und Klassiker Mato Kósyk (Mathias Kossick/Mathew Kossick, 1853 – 1940) aus Werben ist der namhafteste wendische Auswanderer in die USA. In seinem literarischen Werk nimmt er auch Bezug auf die dortigen Ureinwohner und veröffentlicht unverklärte Einblicke in die Kultur der Indianerstämme. Wendische Familiennamen wie Starick, Nagorcka, Schlodder, Huppatz, Pumpa, Twarz oder Noack sind bis heute weiter gegeben. Relikte traditioneller Lausitzer Bauweise, Arbeitsgeräte wie Spinnräder oder Flachsbrechen sowie die Liebe zur Landwirtschaft mit Leinölproduktion und Weinanbau erinnern an die Herkunft.
Die wagemutigen Auswanderer gehörten in der „Neuen Welt“ zu den Pionieren des Aufbaus und des Fortschritts.
Foto: K. Möbes
Quelle: Amt Burg (Spreewald)