Subkultur findet nicht nur in Großstädten statt. Beispiele, die das beweisen, gibt es viele: So setzte etwa die einflussreiche US-amerikanische Punkband “Rancid” der legendären Kleinstadtszene in Olympia, Washington, im gleichnamigen Song ein Denkmal. Doch auch in der Niederlausitz, genauer gesagt im Örtchen Lugau, versammelten sich Unangepasste aus der ganzen DDR. In dem als FDJ-Jugendclub deklarierten “Extrem” spielten die namhaftesten DDR-Punkbands – und sogar einige Künstler aus dem Westen. Wie konnte das funktionieren?
Diese Frage drängt sich in Anbetracht dessen auf, dass die Punkszene der DDR-Regierung immer ein Dorn im Auge war. Heutzutage ist ein punkiger Look aus dem Straßenbild kaum mehr wegzudenken. Kleidung und CDs sind online in Hülle und Fülle zu finden, Konzerte der Toten Hosen füllen Stadien und deren Frontmann Campino wird bei der Echo-Preisverleihung für seinen kritischen Kommentar im Zuge der Antisemitismusdebatte um Songtexte der Rapper Farid Bang und Kollegah mit Standing Ovations bejubelt.
Punk in der DDR – trotz staatlicher Repression weit verbreitet
In DDR-Zeiten war das noch anders: Punk fand – besonders in der Anfangszeit – fast ausschließlich im Untergrund statt und wurde staatlich verfolgt – zunächst von der Abteilung K1 der Volkspolizei, später direkt vom Ministerium für Staatssicherheit. Trotz anfangs erfolgreicher Ansätze, die Bewegung zu zerschlagen, formierten sich mit der Zeit über das gesamte Gebiet der DDR kleinere Punkszenen. Sie definierten sich weniger über eine politische Ideologie als über die kollektive Abneigung der festgeschriebenen DDR-Laufbahn von der FDJ über die NVA hinein in die Rolle eines kleinen Rädchens im planwirtschaftlichen Getriebe. Erst später, in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre, gab es einige auch staatlich geduldete Punkbands, die sowohl auftreten wie auch Alben veröffentlichen durften.
Lugau: Fans und Bands aus der ganzen DDR trafen sich im “Extrem”
Ausgerechnet das kleine Örtchen Lugau in der Niederlausitz war neben den Großstädten Berlin, Dresden und Leipzig eines der Punkzentren der DDR. Maßgeblich dazu beigetragen hat Alexander Kühne. Er war einer der Gründer des ebenso kurzlebigen wie legendären Musikclubs “Extrem”. Er schaffte es, namhafte Bands wie Sandow, Feeling B, The Art oder Kotzübel in das 500-Einwohner-Dorf zu locken. Fans strömten immer am Wochenende in die Niederlausitz, um Party zu machen. Kühne selbst sah sich damals – wie Großteile der Szene auch – weniger als “Revoluzzer”. Er wollte aber “ein Leben ohne Vorschriften mit viel Spaß und Musik”, verriet er der Berliner Morgenpost. Dafür wollte er “die Großstadt nach Lugau holen” – mit Erfolg. Bands, die selbst keine Spielerlaubnis hatten, traten heimlich als Vorbands auf. 1989 spielte sogar die West-Berliner Punkband “The Waltons” illegal in Lugau. Nach der Wende existierte das “Extrem” nur noch bis 1994. Viele, auch Kühne selbst, zog es weg aus der Niederlausitz. Heute lebt er als Autor und Fernsehjournalist in Berlin. Doch mit seinem Roman “Düsterbusch City Lights” lässt er die Lugauer Punkszene – zumindest im literarischen Pendant “Düsterbusch” – wiederauferstehen. Das Buch erschien 2016 im Heyne Verlag und sorgte bundesweit für Aufsehen.
Bildrechte: Flickr 15 Anastasia Dutova CC BY-SA 2.0 Bestimmte Rechte vorbehalten