Die Lausitz braucht im Strukturwandel „Sonderkonditionen über Jahrzehnte“. Mit diesen Worten hat der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch die Dimension des Wandels umrissen. Als Sprecher der im Januar 2018 startenden Wirtschaftsregion Lausitz GmbH hat Kelch gemeinsam mit der Dezernentin für Kreisentwicklung des Landkreises Görlitz, Heike Zettwitz, ein fünf Punkte umfassendes Forderungspapier vorgestellt. Es richtet sich an die künftige Bundesregierung, für die derzeit sondiert wird. Kelch: „Wir fordern nicht nur Geld, sondern auch andere Rahmenbedingungen.“ Berlin mache es sich einfach, einen Kohleausstieg voranzutreiben: „Konsequent wäre es dann, wenn auf dem Tempelhofer Feld ein Windpark errichtet werden würde.“
„Wir stehen zur Region, weil wir für die Region Verantwortung tragen“, erklärte Kelch. In der Wirtschaftsregion arbeiten die Landkreis Görlitz, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße und Dahme-Spreewald sowie die kreisfreie Stadt Cottbus zusammen. Die Tür für den Landkreis Bautzen, vor allem für die Nordregion um Hoyerswerda, stehe offen.
Schwerpunkt-Forderungen beziehen sich auf den zügigen Ausbau der Infrastruktur, die Ansiedlung von Bundesbehörden und Forschungsinstituten, die Entwicklung und Vermarktung von Gewerbe- und Industriestandorten, ein gelockertes Umweltrecht für Neuansiedlungen sowie die Unterstützung kultureller und sportlicher, „identitätsstiftender“ Veranstaltungen bzw. Gartenschauen und ähnlichem.
„Bevor weitergehende Beschlüsse zur Energiewende in Deutschland durch die neue Bundesregierung gefasst werden, erwarten wir zuverlässige Aussagen zur wirtschaftlichen Perspektive der Lausitz und ein Strukturentwicklungsprogramm. Eine Festlegung auf ein Ausstiegsdatum aus der Braunkohleverstromung wäre ein Aufruf zum Exodus aus er Lausitz“, heißt es in dem Papier.
Die Lausitz werde daher „lauter werden“, erklärte Heike Zettwitz. Die Lausitz bade sonst aus, was in Berlin beschlossen werde.
Die Forderungen:
1. Die Verbesserung der verkehrlichen Erreichbarkeit und die Anbindung an die Ballungsräume Berlin, Leipzig und Dresden sowie nach Prag und Breslau sind ausschlaggebend zur Abfederung des neuerlichen Strukturwandels in der Lausitz. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt aber, dass Maßnahmen in der Lausitz besonders im Schienenverkehr nicht im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans Eingang gefunden haben. Deshalb schlagen wir vor, dass ein gesondertes Programm zum Ausbau der regionalen Verkehrsinfrastruktur und zur Digitalisierung (Regionales Infrastrukturprogramm) vom Bund aufgelegt wird. Dieses Programm soll bis 2030 zeitlich befristet werden und nach dem Vorbild des Bundesverkehrswegebeschleunigungsgesetzes Planungs- und Genehmigungsverfahren und die Realisierung von Ausbaumaßnahmen im Bundesstraßennetz sowie in der Schieneninfrastruktur deutlich verkürzen. Als wichtigste Maßnahmen kommen dafür in Betracht:
– Ausbau und Elektrifizierung der Eisenbahnverbindung Lübbenau-Cottbus-Görlitz sowie der Strecken Dresden-Görlitz und Cottbus-Forst
– Ausbau der Straßenverbindungen von Leipzig in die Lausitz als zusätzliche West-Ost-Achse, Abschluss Neubau B 178 und Ausbau einer zusätzlichen Süd-Nord-Verbindung von der A 4 (zwischen Bautzen und Görlitz) zur A 15 vorwiegend durch Ausbau im bestehenden Straßennetz
– flächendeckendes Glasfasernetz und flächendeckender Mobilfunkempfang (LTE-Standard).
2. Vor dem Wegfall von gut bezahlten Arbeitsplätzen muss die Neuansiedlung von alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Menschen stehen. Die öffentliche Hand kann dies durch gezielte Standortentscheidungen und die Etablierung von Forschungs- und Hochschuleinrichtungen steuern. Die Ansiedlung von Bundesbehörden in der Lausitz und der Ausbau z. B. von Fraunhoferinstituten in den Hochschulstandorten Cottbus, Görlitz und Zittau wären deutliche Standortsignale in die Lausitz und legen den Grundstein für eine erfolgreiche wissensbasierte Regionalentwicklung und Innovationspolitik.
3. Auch wenn bereits wichtige Eckdaten zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung seit 2016 feststehen und somit erste Kraftwerksblöcke auch in der Lausitz vom Netz gehen, ist es umso dringender, dass großflächige Industriestandorte wie Jänschwalde, Boxberg, Schwarze Pumpe oder Rothenburg/OL als Industrie- und Gewerbestandorte entwickelt und überregional vermarket werden. Diese Standortentwicklung überfordert jedoch die finanziellen Möglichkeiten der Kommunen, so dass über die GRW-Förderung hinaus dieser Tatbestand als Ausnahmeregelung aufgenommen werden muss.
4. Die Lausitz wird mit einer deutlichen CO2-Reduzierung einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der deutschen Klimaschutzziele erbringen. Um jedoch Investitionen in die Lausitz als Ersatz für die Konsequenzen der Klimaschutzpolitik zu holen bzw. voranzubringen, ist darüber nachzudenken, inwieweit investitionshemmende gesetzliche Regelungen im Umweltrecht des Bundes zeitweise außer Kraft oder in der Anwendung abgeschwächt werden können. Dies betrifft z. B. Regelungen zu Raumordnungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Anwendung von § 44 Bundesnaturschutzgesetz oder die Möglichkeit, die sich rasant ausbreitende Wolfspopulation zu regulieren.
5. Die Lausitz verfügt über vielfältige Landschafts- und Kulturräume und ist Heimat für die sorbische Minderheit in Deutschland. Dieses Potential gilt es gezielt zu unterstützen und durch Events z. B. im Sportbereich oder identitätsstiftende Projekte, wie Gartenschauen oder als europäische Kulturhauptstadt, offensiv zu vermarkten. Aufgrund der strukturellen Bedingungen in der Lausitz ist jedoch das Sponsoring unterdurchschnittlich ausgeprägt. Veranstalter und/oder Kommunen sind dabei besonders auf Unterstützung angewiesen. Diese könnte im Rahmen eines Sonderprogramms „nachhaltige Identitäts- und Kulturentwicklung Lausitz“ erfolgen.
pm/red