Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter und Finanzminister Christian Görke haben einen Vorschlag zum Neuzuschnitt der Landkreise im Zuge der geplanten Kreisgebietsreform vorgelegt. Die Minister stellten ihre Vorzugsvariante mit neun Landkreisen und einer kreisfreien Stadt heute in Potsdam vor. Die neuen Kreise erfüllen in Bezug auf ihre Fläche die Vorgabe aus dem Leitbild zur Strukturreform von maximal 5.000 Quadratkilometern. Auch die im Leitbild vorgesehene Untergrenze bei der Einwohnerzahl von 150.000 wird eingehalten.
Konkret wird eine Fusion der bisherigen Kreise Barnim und Uckermark, Prignitz und Ostprignitz-Ruppin sowie Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald vorgeschlagen. Außerdem könnten der Landkreis Oder-Spree mit der bislang kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder), der Kreis Havelland mit der bisher kreisfreien Stadt Brandenburg/Havel sowie die Kreise Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz und Elbe-Elster mit der bislang kreisfreien Stadt Cottbus fusionieren. Die bisherigen Kreise Potsdam-Mittelmark, Märkisch-Oderland und Oberhavel blieben ebenso eigenständig wie die dann letzte kreisfreie Stadt Potsdam. Die Minister legten anhand einer Karte ihre Vorzugsvariante dar und erläuterten die einzelnen Vorschläge.
Die rot-rote Regierungsmehrheit stimmte bereits im Juli mit 45 Ja-Stimmen zu 35 Nein-Stimmen der Kreisgebietsreform zu. Die Opposition um die CDU kündigte bereits ein Volksbegehren an, das im November starten soll. Insbesondere die bisher kreisfreien Städte Cottbus, Brandenburg an der Havel unf Frankfurt/Oder hatten mit Nachdruck gegen die Einkreisung gekämpft und die Finanzierung des Vorhabens in Frage gestellt. Ein Gutachten über die deutschlandweite Auswirkung von Kreisfusionen hatte ihnen zusätzlich Rückhalt gegeben.
Der im Süden geplante Großkreis Lausitz mit Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neisse und der Stadt Cottbus umfasst 4.945 Quadratkilometer mit knapp 380.000 Einwohnern. Es ist dann der größte Kreis im Land Brandenburg.
Stimmen (wird ständig aktualisiert):
Senftenbergs Bürgermeister Andreas Friedrich (SPD): „Für den Bürger wird sich wegen der geplanten Reform nichts ändern. Wie gewohnt stehen die Städte und Gemeinden als Ansprechpartner für die wichtigsten Angelegenheiten des täglichen Lebens zur Verfügung. Das war schon immer so und daran ändert auch die geplante Reform nichts. Die Stadt- und Gemeindeverwaltungen sind für die Bürgernähe zuständig, selten müssen Bürgerinnen und Bürger bei Kreisverwaltungen vorsprechen. Und wenn doch, so wird es auch nach der Reform gut funktionierende Standorte in Senftenberg, Forst und Herzberg geben müssen. Ich befürworte weiterhin die Kreisfreiheit von Cottbus. Die drei Landkreise Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster und Spree-Neiße sind in einem Verbund wirtschaftlich alleine sehr gut aufgestellt und können dem Ziel der Landesregierung, eine Stärkung der Lausitzregion, auch zusammen mit der kreisfreien Stadt Cottbus gerecht werden. Eine Einkreisung ist daher nicht erforderlich. Darüber hinaus sage ich, Senftenberg muss Kreisstadt bleiben, das ergibt sich schon aus der geografische Lage. Senftenberg als derzeitige Kreisstadt liegt zentral im geplanten neuen Landkreis. Alle Strukturen sind vorhanden. Seit Jahren wird erfolgreich die Umlandfunktion wahrgenommen, es gibt eine perfekte Autobahn- und Bundesstraßenanbindung. Außerdem ist Senftenberg Universitäts- und Theaterstandort, liegt mitten im Seenland und ist als „staatlich anerkannter Erholungsort“ bundesweit eine feste Größe. Und selbst wenn der neue, größere Kreistag zukünftig im Wechsel an unterschiedlichen Standorten seine turnusmäßigen Sitzungen durchführen möchte, kann Senftenberg mit der Kaiserkrone einen attraktiven Saal bieten“
Die Cottbuser Vorsitzenden von CDU-Kreisverband und CDU-Fraktion, Prof. Michael Schierack und Hagen Strese: „Der neu angedachte südliche Großkreis von Mühlberg an der Elbe bis Forst an der Neiße ist zu groß, ohne Anschluss an den berlinnahen Raum sowie bürgerfern und identitätslos. Es ist geradezu abenteuerlich zu glauben, dass die Ausübung des politischen Ehrenamtes in einem Kreis größer wie das Saarland funktionieren kann. Mit dieser gigantischen Kreisgröße geht das natürliche Interesse der Bürgerinnen und Bürger an Mitwirkung und Mitverantwortung in allen Fragen der direkten und indirekten Demokratie weiter zurück. Damit wird den politischen Rändern im Land Brandenburg vorsätzlich der Rücken gestärkt. Deshalb werden alle Gliederungen der Cottbuser CDU die am 1. November 2016 beginnende Volksinitiative gegen den Kreisneugliederungswahnsinn leidenschaftlich unterstützen. Wir Christdemokraten zeigen den Herren Woidke, Schröter und Görke die rote Karte. Wir wollen ein kreisfreies Oberzentrum Cottbus erhalten, wir wollen mehr Heimat und Brandenburger Vielfalt wagen“
SPD-Landtagsabgeordneter Wolfgang Roick: „Ein Großkreis Lausitz oder Niederlausitz aus Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße und Cottbus ist eine riesige Herausforderung – möglich und wirtschaftlich absolut notwendig, aber auch beispielsweise für die ehrenamtliche Tätigkeit eines Kreistagsabgeordneten nicht ganz einfach. Es ist wichtig, in einem nächsten Schritt festzulegen, welche Aufgaben auf die Kommunen übertragen werden sollen, damit Bürger und Firmen auch in Zukunft zumutbare Wege haben.
Außerdem muss dieser neue Landkreis eine besondere Berücksichtigung mit entsprechenden Zuwendungen im Finanzausgleichsgesetz finden, da er keine direkte Berlin-Anbindung hat. Aus wirtschaftlicher Sicht könnten die Interessen der Lausitz mit einer einheitlichen Vermarktung und einer gemeinsamen Wirtschaftsförderung sehr gut in dem neuen Landkreis gebündelt werden und ein starker Niederlausitzkreis entstehen. Ein Punkt steht für mich außer Frage: Ich fordere ganz klar, dass Senftenberg als sehr zentral gelegene Kreisstadt auch Kreisstadt bleibt. Hier werde ich mich in entsprechenden Diskussionen sehr deutlich positionieren. Es gibt bereits Beispiele aus der Vergangenheit, dass nicht zwangsläufig die größte Stadt im Landkreis auch Kreisstadt sein muss.“
Axel Graf von Bülow (Landesvorsitzender der FDP): “Dieser Entwurf ist völlig unausgegoren. Starke Kreise werden zusammengefasst, verschuldete Städte und schwache Kreise konzeptlos zusammengelegt. Die vom Speckgürten entfernten Regionen werden mit Ansage wirtschaftlich und strukturell abgehängt. Einen besonderen Beigeschmack bekommt der Vorschlag durch die damit einhergehende Kumulierung der kommunalen politischen Machtverschiebungen hin zu den Regierungsparteien. Nicht nur der Insider sieht auf den ersten Blick, welche Vorteile und Nebenwirkungen dieser Kreiszuschnitt insbesondere für die Partei des Ministerpräsidenten hat. Wir werden der Landesregierung diese durchsichtige Volte nicht durchgehen lassen.“
LDS-Landrat Stephan Loge (SPD): „Der Vorschlag kam überraschend und auch unvorbereitet. Aus Sicht des Landkreises Dahme-Spreewald lassen sich keine plausiblen Gründe nennen, die eine Fusion (mit Teltow-Fläming; Anm d. Red.) befürworten würden. Da der Landkreis Dahme-Spreewald im Jahr 2030 mindestens 180.000 Einwohner aufweisen wird, erfüllt er sämtliche im Leitbild dargelegte Kriterien, um eigenständig zu bleiben. Unter Zugrundelegung ihres eigenen Leitbildes erwarte ich von der Landesregierung eine ehrliche und nachvollziehbare Begründung.“
Der Kreisvorsitzende der FDP Lausitz, Peter Kempe: „Wir lehnen die vorgeschlagene Megafusion für den Süden von Brandenburg ab. Der neugeschaffene Großkreis wäre mit einer doppelt so großen Fläche wie dem Saarland schlicht nicht mehr handlungsfähig. Es würde schon innerhalb der Verwaltungen zu massiven Verteilungskämpfen kommen. Ehrenamtliche Kommunalpolitik, die ja das Verwaltungshandeln im Sinne der Bürger kontrollieren soll, ist in einem Landkreis mit den Ausmaßen nicht mehr realistisch. Die Fahrtzeit von Guben nach Mühlberg/Elbe beträgt beispielsweise mehr als zwei Stunden. Damit wäre das Volk um ein Stück seiner Souveränität beraubt. Das lehnen wir ab. Die Demokratie darf nicht ausgehöhlt werden.“
Felix Sicker, Vorsitzender des FDP-Stadtverbandes Cottbus: „Der Entwurf der Landesregierung drängt den Gedanken auf, dass die neuen Kreise ausgewürfelt wurden. Die neuen Landkreise wären im hohen Maße ungleichmäßig. Es würden vier Großkreise mit einer jeweiligen Fläche von über 4.500 Quadratkilometern entstehen. Daneben gäbe es mit Oberhavel und Märkisch-Oderland zwei Landkreise, die nicht einmal halb so groß sind. Ein gemeinsamer Landkreis aus Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming würde alle anderen Kreise wirtschaftlich bei weitem überflügeln. Der Megakreis im Süden hätte dann die Fläche von einem Drittel Schleswig-Holsteins. Die vorgeschlagenen neuen Kreisgrenzen scheinen willkürlich und ihre Begründung an den Haaren herbeigezogen. Wir fordern das Land auf ihre Landkarte wieder einzupacken und endlich mit allen Akteuren über eine Funktionalreform, in der die Aufgaben der Kreise und Kommunen neu geregelt werden, zu diskutieren. Durch bloße Grenzverschiebungen wurde in der Bundesrepublik bisher noch nie Geld gespart.“
Elbe-Elster Landrat Christian Heinrich-Jaschinski (CDU): „Die geplante Verwaltungsstrukturreform wird ohne Rücksicht auf Verluste und Befindlichkeiten in den Regionen einfach durchgeboxt, ohne die Wünsche, Forderungen und Hinweise der Landkreise und kreisfreien Städte zu berücksichtigen. Die hektische Betriebsamkeit der Landesregierung in der Frage der Kreisneuordnung setze weitere dicke Fragezeichen hinter das unausgereifte Leitbild für die Zukunft der Brandenburger Landkreise. „Die oft beschriebenen Riesengebilde sind jetzt keine Hirngespinste mehr, sondern zum Greifen nah. Ich will mir gar nicht ausmalen, was das für ehrenamtliche Tätigkeiten bedeutet. Diese werden auf 5000 Quadratkilometern erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Darüber hinaus bin ich darüber verwundert, wie beliebig auf Landesebene mit einem Kerngedanken im Leitbild umgegangen werde, der Landkreisen den Hauptstadtzugang ermöglichen sollte. Davon ist jetzt überhaupt gar keine Rede mehr. Starke Regionen werden ohne Not weiter gestärkt, strukturschwache Landesteile sich selbst überlassen. Der Vorschlag koppelt Südbrandenburg komplett ab und zementiert die Randlagenposition der dortigen Landkreise weiter. Mich ärgert vor allem, dass nur über die Kreisebene diskutiert wird. Die Verwaltungsstrukturreform betrifft aber alle Verwaltungsebenen, von der Gemeinde bis zum Land. Eine umfangreiche Funktionalreform ist für mich absolut vorrangig. Es braucht klare Ansagen, welche Aufgaben von den Kommunen wahrgenommen werden sollen. Erst danach stellt sich die Strukturfrage.“
Bundestagsabgeordneter Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU): „Hier wurde eindeutig die Chance verpasst, wirtschaftlich schwache Landkreise durch die Fusionierung mit einem starken Partner, wie etwa Dahme-Spreewald, zukunftsfähig zu machen. Indem die Landesregierung ihren Entwurf stur an den Einwohner- und Flächenzahlen ausrichtet, ignoriert sie die weitaus wichtigeren strukturellen Elemente, die einer solchen Reform zugrunde liegen sollten. So verfügt der neue Landkreis in Brandenburgs Süden über keinen Zugang zur Metropole Berlin und auch die mögliche Entwicklungsachse Berlin-Cottbus bleibt in dem Entwurf unbeachtet.
Mit der Einkreisung der Stadt Cottbus verkleinert die Landesregierung den finanziellen Spielraum der Kommunen, da dies sehr wahrscheinlich eine höhere Kreisumlage nach sich ziehen wird. Zudem werden mit dem aktuellen Konzept die immensen Herausforderungen des anstehenden Strukturwandels einem einzigen Landkreis aufgebürdet. Dabei treffen die fehlenden Steuereinnahmen aus der Kohle- und Energiewirtschaft die Kommunen schon heute hart.
In der Konsequenz dieser Kreisgebietsreform werden die freiwilligen Leistungen gekürzt, die Gebühren erhöht und die kommunalen Schulden vergemeinschaftet. Somit sind es am Ende die Bürgerinnen und Bürger, die für eine verfehlte Landespolitik zahlen müssen.”
Sven Petke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion: „Die Landesregierung verspielt bei der Kreisreform auch das letzte Fünkchen Glaubwürdigkeit. Ursprünglich wollte man einen Ausgleich zwischen Strukturschwachen und –starken Landkreisen schaffen. Dem werden die Vorschläge nicht gerecht. Vielmehr gefährden sie den Zusammenhalt des Landes. Nach dem präsentierten Vorschlag ziehe sich die öffentliche Hand systematisch aus den ländlichen Regionen zurück. Übergroße Flächenkreise sind weder effizient noch können sie Identität vermitteln. Was heute vorgestellt wurde, ist eine Landkarte der Willkür. Die neuen Kreisgrenzen sind nicht das Ergebnis von fachlichen Notwendigkeiten, sondern von Kungelrunden der Genossen.“
Der Landrat des Landkreises Oberspreewald-Lausitz, Siegurd Heinze: “Ich bin von dem Vorschlag überrascht und verwundert. Wir werden uns im Kreistag beraten, abstimmen und uns dazu äußern. Ich persönlich halte dieses Konstrukt für zu groß, um es zu verwalten und lehne bei einem solchen Gebilde die Aufnahme der noch kreisfreien Stadt Cottbus ab.“
SPD-Fraktionsvorsitzender Mike Bischoff: „Die SPD-Fraktion begrüßt, dass der Prozess zur Reform der Verwaltungsstrukturen im Land konsequent vorangebracht wird. Diese Reform ist notwendig, um in ganz Brandenburg gleichwertige Lebensverhältnisse und Chancen auch in Zeiten demografischer Veränderungen zu erhalten. Der Vorschlag zur Kreisgliederung entspricht aus unserer Sicht den Zielen und Vorgaben des Leitbilds, das der Landtag im Juli beschlossen hat. Er sieht starke Kreise vor, die dauerhaft aus eigener Kraft ihren Bürgerinnen und Bürgern alle Dienstleistungen bieten können, auf die sie Anspruch haben. Auch die bislang kreisfreien Städte werden als Oberzentren in ihren Regionen gestärkt. Die SPD-Fraktion wird sich an der Diskussion und Umsetzung der Struktur- und Funktionalreform weiterhin konstruktiv beteiligen.“
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