Ein Film über niedersorbische Bräuche führte beim Publikum des vergangenen FilmFestival Cottbus zu lebendigen Diskussionen. Dies nimmt die diesjährige Reihe HEIMAT | Domownja | Domizna zum Anlass, sich mit dem Thema Brauchtum neu auseinanderzusetzen.
„Die Filmreihe präsentiert sich 2017 zunächst erweitert um den obersorbischen Begriff von Heimat. Sie heißt nun HEIMAT I DOMOWNJA I DOMIZNA – denn natürlich geht es um die gesamte Lausitz, ihr Filmschaffen und Dinge, die die Menschen hier bewegen“, sagt Dr. Grit Lemke, Kuratorin der Filmreihe.
Unter dem Titel „Entstaubt. Brauchtum reloaded“ zeigen die Sektionsbeiträge aus den Jahren 1961 bis 2016, wie unterschiedlich das Thema des Brauchtums angegangen werden kann:
SAMI BLOOD | SAMEBLOD erzählt die berührende Geschichte einer jungen Sami, deren Sprache und Kultur in den 1930er-Jahren brutal unterdrückt wird. SERBSKI SÓN – SICH SORBISCH TRAUEN | Serbski Són – Marriage, the Sorbian Way begleitet ein junges Oberlausitzer Paar im Jahr 2000 bei den Hochzeitsvorbereitungen und in einem sorbischen Alltag im weitgehend deutschen Umfeld – ein Film, der seinerzeit ebenfalls Kontroversen auslöste. Während letzterer eher als kulturwissenschaftliche Dokumentation angelegt ist, gelingt Mario Schneider mit MANSFELD ein cineastisches Meisterwerk: Mit genauem Blick begleitet er die jugendlichen Protagonisten eines jahrhundertealten Brauchs der Winteraustreibung im Mansfelder Land.
Wie sorbische Filmschaffende selbst ihr Brauchtum und ihre Geschichte darstellten, zeigt ein Programm mit Archivfilmen, die als Modellprojekt Bewahrung sorbischen Filmerbes digitalisiert werden konnten. Begleitend zum 27. FilmFestival Cottbus widmet sich am 7. und 8.11. das Symposium „FILMERBE BEWAHREN – Die unsichtbare Geschichte der Sorben/Wenden“ dieser Thematik. (Kostenfreie Anmeldung bis zum 29.10., [email protected].)
Traditionell ehrt eine Hommage innerhalb der Sektion Lausitzer Kunstschaffende. In diesem Jahr ist sie dem sorbischen, in Cottbus lebenden Dichter und Publizisten Jurij Koch gewidmet. Neben einem Porträt des Künstlers und Klassikern gibt es ein weniger bekanntes Werk neu zu entdecken: TANZ AUF DER KIPPE | Dance on the Dump ist gleichermaßen Abgesang auf die DDR wie Coming-of-Age-Drama, kraftvoll und rebellisch. In einem Werkstattgespräch wird Koch berichten, wie aus einem Buch ein Szenarium entsteht (Fr, 10.11., Wendisches Haus, August-Bebel-Straße 82, Cottbus, 15.30 Uhr).
HEIMAT I DOMOWNJA I DOMIZNA schließt mit einer opulenten Großproduktion, die im Auftrag von rbb und MDR entstand: Die Welturaufführung von WIR SLAWEN IN DEUTSCHLAND | MY – SŁOWJANY W NIMSKEJ erzählt die Geschichte der Lausitz und der Sorben in großen Bildern und nach neuen Quellen.
Im Rahmen des 27. FFC findet am Sa, 11.11., 10 Uhr, das inzwischen 4. Treffen des deutsch-sorbischen Netzwerks Lausitzer Filmschaffender statt, bei dem Mitglieder und Interessierte auf einem Workshop mit Expertinnen zu Stoffentwicklung und Filmförderung ihre Projekte vorstellen und sich austauschen können.
Teil des Rahmenprogramms des 27. FilmFestival ist darüber hinaus die Videoinstallation „Besuch in der Heimat“ von Frauke Rahr: Der Alltag der Sorbin Emma Krahlowa aus Rohne in zwei Filmen. Schwarzweiß und Farbe, zwischen ländlichem Idyll und industrieller Realität. Künstlerin Frauke Rahr dekonstruiert in ihrer Videoinstallation die Idylle als trügerisch und die Stereotype als verlogen. Die Installation ist während der gesamten Festivalwoche im Glad House/Slow, Cottbus zu sehen (Vernissage am 7.11., 17 Uhr, Mi-Sa 12-24 Uhr, So 12-18 Uhr, Eintritt frei).
Über das FilmFestival Cottbus
Das 27. FilmFestival Cottbus findet vom 07. bis 12. November 2017 statt. In drei Wettbewerben konkurrieren Werke um die begehrte Preisskulptur LUBINA (sorbisch: die Liebreizende). Über 20.000 Zuschauer besuchen jedes Jahr das Festival des osteuropäischen Films in Cottbus.
Maßgeblich unterstützt wird das 27. FilmFestival Cottbus vom Medienboard Berlin-Brandenburg, der Stadt Cottbus, dem Auswärtigen Amt und dem Creative Europe-Programm der Europäischen Union.
pm/red