Sie trug gern schwarz, anders als auf dem Foto die Haare meist streng zum Zopf, die schmalen Hände manikürt, das Basecap in der Stirn, eine Sonnenbrille dazu. Die coole Hülle war vielleicht auch ein Schutz, damit man ihr die Sanftheit nicht gleich auf den ersten Blick ansah. Sanftheit und Großmut, die einer Geschäftsfrau nicht immer zum Vorteil gereichen. Und unendlich sanft und großherzig war sie bei aller Geschäftsmäßigkeit. Rica Neels ist am vergangenen Wochenende in voller Fahrt aus dem Leben geschiedenen – an einem Samstagabend, als wir anderen schon längst im Feierabend waren. Das war die Zeit, zu der sie eigentlich jedes Wochenende Dienst hatte. Beim Trödelmarkt in Cottbus, Burg oder Hoyerswerda, bei der Branitzer Parkweihnacht, beim KunstGenuss-Markt, im Stadtmarketingverband, beim lebendigen Adventskalender in Cottbus täglich in der Adventszeit, beim Töpferfest hier und da, bei Volksfesten überall. Sie verhalf Sänger/innen zu ihren Auftritten, vermittelte die Band nAund einige Male. Sie hat nicht darüber geklagt, dass ihre Arbeitswoche siebeneinhalb Tage hatte. Auch dass der Lohn für ihre Mühen noch seltener mit Lob verdoppelt als mit guter Münze ausbezahlt wurde und dass für Urlaub selten mehr Zeit war als ein paar Tage im Jahr. Was sie ärgerte waren andere Dinge: Bürokratie, Sturheit und Misstrauen – das hat ihr die gut bestiefelten Beine weggezogen. Darüber konnte sie zurecht klagen, aber sie ist trotzdem immer wieder aufgestanden und hat ihre Wege gefunden. Übers Aufgeben hat sie nie mehr als leise nachgedacht. Manchmal an einem ruhigen Montag vielleicht. Aber dann rappte schon wieder das Handy. “Klar, Markt startet nächsten Freitag. Wetter wird gut. Kannste kommen, Heinz. Ich werde da sein.” Weiter geht’s.
Wir haben ihr zum Nachdenken keine Zeit gelassen. Wir brauchten sie für all die Dinge, die ohne Großmut nicht funktionieren. Auch ich. Dreihundert Wasserflaschen und hundert Brötchen zum PolkaBEATS-Festival, fünfzig Pappen für Plakate, zwei Würstchenwärmer, Thermoskannen und ein Extra-Kühlschrank für den Backstagebereich – Rica hatte das nicht nur alles in ihrem unerschöpflichen Trödellager, sie fuhr das auch schneller zur Bühne als man bitten konnte. “Ist doch selbstverständlich.” Aufm Rückweg noch Flyer mitnehmen – das musste man ihr nicht sagen. Sie war ein Pfundsweib im besten Sinne. Dass sie manchmal auch erschöpft war, weiß nur ihre Familie. Hunderte Male ist sie die Unfallstrecke im vergangenen Jahr gefahren, um ihre kranken Schwiegereltern zwischen all den Terminen aufopferungsvoll zu versorgen. “Fahr vorsichtig” hat sie sicher tausend Mal gehört. Und “…irgendwann musst Du mal Urlaub machen, einen Gang kürzer treten”. Aber da bimmelte schon wieder das Handy. Keine Zeit für Urlaub. Jetzt nicht.
Liebe Rica, ruhe sanft. Für immer und für all die durchgemachten Wochenenden. Du wirst uns fehlen. Du bist nicht zu ersetzen. Und Du gibst uns zu denken: Der heimischen Wirtschaft geht’s so gut wie nie seit 1990, aber der Sparkurs bei Kultur und Events gepaart mit Bürokratie droht auf die Dauer ihre erschöpften Macher zu fressen.
Gabi Grube, Stadtmarketing und Tourismusverband Cottbus