Die Kultusministerkonferenz (KMK) beschloss im Juni dieses Jahres weitere, bundesweit einheitliche Standards für das Abitur. Diesmal geht es vor allem um den Weg dahin.
Ein Punkt behandelt die Kurse auf erhöhtem Anforderungsniveau – die so genannten „Leistungskurse“. So sollen bundesweit nur noch zwei bis vier belegt werden können. In Brandenburg lernen die Abiturienten und Abiturientinnen am Gymnasium zurzeit in fünf Leistungskursen. So ist das Signal aus der KMK: Alles außer 5 Leistungskurse!
Das System 5 Leistungskurse wandelten sich über Nacht von einer verständlichen Antwort auf die demographische Entwicklung in Brandenburg und dem Anspruch ein breiter gefächertes Wissen zu vermitteln, in einen Fehler, der nun wieder behoben werden muss – und das in der nächsten großen Reform. Die Letzte erfolgte erst 2009.
Nun wird also wieder die ganze gymnasiale Oberstufe umgekrempelt und einmal stark durchgeschüttelt. Nun werden die Lehrerinnen und Lehrer erneut mit überarbeiteten Vorschriften konfrontiert. Und nun fangen die Spekulationen wieder auf das Neue an.
Die Frage nach drei oder zwei Jahren bis zum Abitur ist auch in den Beschlüssen der KMK geregelt – drei Jahre, von denen zwei in die Wertung des Abiturs eingehen. Diese Regelung bestand aber bereits. So gilt als erstes Jahr und damit als Einführungsphase die 10. Jahrgangsstufe an Gymnasium bzw. die 11. Jahrgangsstufe an Gesamtschulen und Oberstufenzentren.
Der Landesschülerrat kann die Frage, ob das Abitur nach 12 oder 13 Jahren erlangt werden sollte, klar beantworten. Wir würden sagen, dass die Frage falsch ist. Jeder Schüler und jede Schülerin muss für sich wissen, was der richtige Weg ist. Aktuell wird an Gymnasien nur das Abitur nach 12 Jahren angeboten. Wir könnten uns vorstellen, den Gymnasien freizustellen, ob sie das Abitur nach 12 oder 13 Jahren anbieten. So sollen sie selbst entscheiden, ob sie die 10. Klasse als Einführungsphase anbieten oder nicht. An besonders großen Schulen können auch gern zwei Wege angeboten werden.
Nur das kann die richtige Methode sein, denn viele Schülerinnen und Schüler fühlen sich durch das Abitur nach 12 Jahren belastet und zu stark herausgefordert. Andere nutzen den zwölfjährigen Weg, um schneller ins Berufsleben einzusteigen. In diesem Zusammenhang befürworten wir auch die Existenz von Gesamtschulen und OSZs. Aber auch diese Schulformen brauchen in ihren Angeboten mehr Flexibilität.
So sagt die Stellvertreterin des Sprechers des Landesschülerrates, Luisa Pinkwart: „Wir sollten den Anspruch haben, viele richtige Wege zum Abitur zu bieten. Unsere Schülerschaft besteht aus vielen Individuen mit verschiedenen Zukunftsplänen und Interessen. Nicht alle sind sich sicher, was der richtige Weg für sie ist – aber genau an dieser Stelle ist es falsch, weniger Wege und Möglichkeiten zu bieten.“
Mit den Beschlüssen der KMK wird die Anzahl der zu belegenden Kurse reduziert. Das ist der richtige Weg, da bereits der Abschluss nach der 10. Klasse allgemeinbildenden Charakter besitzt und die Schülerinnen und Schüler sich im Abitur besser selbst finden und stärker spezialisieren sollten.
Im Abitur muss der politischen Bildung nun mehr Bedeutung beigemessen werden. Politische Bildung sollte ein Pflichtfach sein. Es ist wichtig, dass wir aus der Schule – und gerade nach dem Abitur – nur politisch und demokratisch gebildete Menschen entlassen. Die Schülerinnen und Schüler müssen mehr kritisieren, mehr hinterfragen und über ihre Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe besser Bescheid wissen. Dies ist gerade in Zeiten von Populismus, Menschenfängern und Rechtsextremismus wichtig. Auch soziale Netzwerke tragen zur schnellen und übereilten Meinungsbildung bei und verbreiten teils falsche Informationen, weswegen es umso wichtiger ist, gesellschaftliche und politische Zusammenhänge zu vermitteln und den kommenden Wählerinnen und Wählern bewusst zu machen. Die Demokratie kann nur von Menschen leben und vor allem gelebt werden, die wissen, wie sie funktioniert.
Für uns ist es aber auch wichtig, dass die Pflichtbelegung von Mathe, Deutsch und Englisch erhalten bleibt – jedoch nicht auf hohem Niveau. Diese Fächer bieten, vor allem in Hinblick auf das zukünftige Berufsleben wichtige Schlüsselkompetenzen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass der Alltag außerhalb diverser Bildungseinrichtungen nicht aus dem regelmäßigen Abfragen von Fakten besteht. Vielmehr muss das Erleneren wichtiger Schlüsselkompetenzen eine Rolle spielen, wie auch die notwendigen Kompetenzen, um sich Wissen zuversichtlich anzueignen.
Die wenigstens Menschen werden die Berechnung der Reaktionsenthalpie der Auflösung von Natriumchlorid in Diwasserstoffmonoxid oder das Wissen um die Bestandteile einer Pflanzenzelle täglich anwenden. Selbst wenn man dies aktiv benötigt, kann dies innerhalb weniger Sekunden herausgefunden werden. Heute gibt es viele Wissensquellen, die um einiges zuverlässiger sind, als auswendig gelerntes Wissen und uns Zugang zu vielen Erkenntnissen der Welt bieten.
So bemerkt der Sprecher des Landesschülerrates, Johannes Sven Hänig: „Wir finden es nicht mehr zeitgemäß, dass Abiturientinnen und Abiturienten so viel auswendig lernen müssen, um am Ende den Großteil nach den Prüfungen zu vergessen. Das Ministerium muss hier der Realität vieler Tausender Schüler und Schülerinnen Folge leisten und ein sinnvolleres Lernen etablieren. Mit dem neuen Rahmenlehrplan ist schon viel in diese Richtung getan, aber noch nicht genug.“
Wir fordern das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport auf, bei der Erarbeitung der neuen Vorschriften, den Landesschülerrat und damit die Schülerinnen und Schüler Brandenburgs, um deren Zukunft es ja hier geht, aktiv einzubeziehen. Wir fordern des Weiteren, ein breites Kursangebot möglich zu machen und Schlüsselkompetenzen sowie Fachwissen und Fachkompetenzen zu vermitteln und nicht von allem ein bisschen.
pm/red
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