Einmal im Jahr besucht der Lehrgang der Studierenden der Fachrichtung „Spreng- und Sicherheitstechnik” der Bundeswehr zum Abschluss eine Woche lang die zivilen Kollegen des Brandenburger Kampfmittelbeseseitigungsdienstes. Knapp zwanzig Offiziersanwärter und Offiziere aller Truppengattungen und aus allen Ecken Deutschlands waren dieses Mal zu Gast. Der Kontakt zu den Brandenburger Kollegen besteht seit vielen Jahren und so kommen sie nach zwei Lehrgangsjahren in Aachen in die Mark und lernen noch einmal Kollegen aus der zivilen Welt und deren Umgang mit Spreng- und Kampfstoffen kennen.
Enrico Schnick, Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KMBD) des Landes und fachkundiger Kampfmittelbeseitiger in den Bereichen Cottbus, Spree-Neiße, Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz erklärte uns die Woche: „Es ging in der Verwaltung los, dort haben sie sich Luftbilder und deren Auswertung nach möglichen Fundstellen angeschaut. Dienstag verbrachten sie einen Tag auf dem Sprengplatz in Kummersdorf, der dritte Tag war in Wünsdorf bei der Besichtigung von zivilen Räumstellen und der vierte Tag führte sie zu uns in die Lausitz.“ Die erste Station war der Tagebau Jänschwalde, wo auf den Vorfeldern private Kampfmittelräumer nach Munition suchen und den Soldaten gezeigt wurde, wie in der Lausitz Strom entsteht. Anschließend ging es nach Peitz zu einem interessanten Vortrag. Organisator Schnick dazu: „Ich bin kurzfristig eingesprungen, eigentlich waren die Seelower Höhen geplant. Die Soldaten sollten sich im Rahmen ihrer Ausbildung über die Kampfhandlungen in der Stadt Forst informieren, daher habe ich die Anfrage bei der Stadt gestellt und sie haben mich an Herrn Malcherowitz mit dem tollen Vortrag weitergeleitet. Er hat sich extra für uns einen Tag Urlaub genommen.“
Christoph Malcherowitz erklärte den Frontverlauf entlang der Neiße und um Peitz im Winter und Frühling 1945. Anhand von Recherchen, Querverweisen und Gräbern konnten Stellungen und Truppenbewegungen sehr genau dokumentiert werden. In seiner Arbeit im Peitzer historischen Verein wurden 56 Zeitzeugen interviewt und insgesamt 5.400 gefallene Soldaten ermittelt. Er erklärte den Verlauf der Kämpfe um Brückenköpfe über die Neiße sowie die Frontstädte Forst, Guben und später Peitz und Cottbus. Dabei sprach er ein interessantes Detail an, was Wenigen bekannt sein dürfte. Der Cottbuser Bahnhof war nicht das eigentliche Ziel der alliierten Bombenangriffe am 15.02.1945. Im Bahnhof stand zu der Zeit der Befehlszug des Luftwaffenkommandos 6, das den Einsatz der deutschen Luftwaffe über der Region koordinierte und deren Kampfstärke der russischen noch überlegen war. Er war das Ziel der Angriffe, doch verließ er zwei Stunden vor dem Angriff den Bahnhof und so flog lediglich eine geringere Anzahl an Flugzeugen den Bahnhof an, als das Fehlen bemerkt wurde flogen weitere Wellen die Hydrierwerke in Schwarzheide an. Ein Beleg dafür ist die Einsatzbereitschaft des Bahnhofs zwei Wochen nach dem Angriff. „Hier wurden danach zehntausende Soldaten und Kriegsmaterial verladen und Richtung Berlin gebracht sowie viele tausende Flüchtlinge nutzten den Bahnhof als Umsteigeplatz. Das wäre nicht möglich gewesen wenn er das Hauptziel eines alliierten Bombenangriffs gewesen wäre.“ so Malcherowitz. Enrico Schnick vom KMBD zeigte sich auch beeindruckt: „Auf die genauen Kenntnisse über Geschützstellungen und Fundorte hier in der Lausitz können wir als Kampfmittelbeseitigungsdienst aufbauen. Wir können die Materialien auswerten und gezielt auf die Suche nach Überresten des Weltkriegs gehen.“
Christoph Malcherowitz zeigte auch Bilder einer „Schweineschnauze“ die entlang der Neiße als MG-Stellungen eingegraben waren, eine davon wurde geborgen und ins Forster Textilmuseum gebracht, wo es als nächstes hinging. Abschließend sind sie direkt an die Neiße gefahren, um vor Ort einen Überblick über den ehemaligen Frontverlauf im Februar 1945 zu erhalten. Auch die Soldaten waren sehr zufrieden mit dem Tag, was sich neben viel Applaus auch in einer großzügigen Spende der Soldaten an den historischen Verein wieder spiegelte.
Enrico Schnick abschließend: „Ich wollte unsere Region und die Arbeit zeigen. Am Ende hat zeitlich und inhaltlich alles gut gepasst. Die Arbeit der Bundeswehr und unsere ist schwer zu vergleichen. Wir müssen an Evakuierungen und Transporte durch die Städte denken, das ist umfangreicher. Die Bundeswehrkollegen haben ihre Richtlinien und im Umkreis einer gewissen Reichweite muss alle frei sein, das geht meist einfacher. Wir müssen an Gasleitungen und Lufträume denken wenn wir sprengen wollen. Auch die Intensität der Lehrgänge ist bei uns höher.“ Auf die Frage, ob er es im nächsten Jahr wieder organisiert lacht Enrico Schnick, die Kollegen haben wohl schon so etwas angedeutet.